Sonntag, 15. Dezember 2013

Der Hobbit - Eine unerwartete Reise (2012)

Im Auenland lässt es sich Bilbo Beutlin richtig gut gehen, mit feinem Essen, einem gemütlichem Zuhause und sowas lästiges wie Stress lässt er ganz weit weg von sich. Herrlich! Eines Tages wird die Ruhe aber von Gandalf mitsamt 13 Zwergen gestört, die ihn auf ein Abenteuer mitnehmen wollen. Deren Thal  wurde vom besitz geilen Feuerdrachen Smaug zerstört und in Eigentum genommen, mitsamt deren Schatz….und die Reise beginnt. Und die ist sehr lang!

Genau übrigens wie der gesamte Film und ich schreibe es tunlichst gleich vorweg: Ich halte DER HOBBIT für kein Meisterwerk, wie es hier und da so gern lobgepreist wurde. Das ist aber natürlich nur meine persönliche, bescheidene Meinung und letztlich kann man es am Besten beurteilen, wenn man die komplette Trilogie gesehen hat (ähnlich wie bei DER HERR DER RINGE, obwohl da jeder einzelne Film schon an für sich großartig ist), das dauert aber dann noch ungefähr so ein ganzes Jahr.


Es hatte wohl einen triftigen Grund, warum zuerst DER HERR DER RINGE verfilmt worden ist und nicht DER HOBBIT. Ersteres ist die weitaus spannendere, komplexere und stärkere Geschichte und eindeutig für ein Erwachsenenpublik zugeschnitten, wohingegen DER HOBBIT als Kinderbuch mit gerade mal 336 Seiten relativ schnell und flüssig zu lesen ist und inhaltsmäßig überschaubar bleibt (ich habe das Buch vor einigen Jahren gelesen). Zu HERR DER RINGE muss man eigentlich auch gar nichts mehr weiter schreiben, sowohl literarisch als auch filmisch sind es unbestritten Meisterwerke, die unerreicht bleiben. Als es die Runde machte, dass DER HOBBIT nun auch verfilmt wird, waren Filmfreunde in aller Welt verzückt. Zuerst war Kino-Visionär Guillermo Del Toro als Regisseur vorgesehen, der aber irgendwann hinschmiss (angeblich aufgrund von Verzögerungen, die hauptsächlich wegen finanzieller Probleme der Produktionsfirma MGM verursacht wurden, man mag es kaum glauben). So wurde Peter Jackson wieder ins Boot geholt und die Vorfreude hielt sich eisern bis zum Starttermin…und dann kam (zumindest für mich) die schnelle Ernüchterung.

Natürlich ist DER HOBBIT kein schlechter Film, wer taucht nicht gerne in eine Fantasiewelt wie die des J.R.R. Tolkien ein, ich bin gern dabei. Er ist sicherlich außerordentlich gefilmt, aber warum zum Teufel muss Jackson eine Trilogie daraus machen, bei dem der erste Teil allein schon knapp 170 Minuten lang ist? Der Mann hat über die Jahre einiges an Körpergewicht verloren, sein Ego scheint dagegen gewachsen zu sein, nicht nur das er als Erster das Ganze in der neuen HFR-Technik gedreht hat (dazu später mehr), nein der Film hat noch ein anderes Problem.

Ich hatte am Ende den Eindruck, nicht nur das die erste Stunde viel zu langatmig und sehr dialoglastig geworden ist, schlimmer noch: Peter Jackson wollte es scheinbar wirklich jedem Recht machen und genau da scheitert er. Nicht nur das er von der Romanvorlage abweicht und Neues hinzufügt (erstmal auch gar nicht so gravierend), aber das Resultat ist in der Tat für meinen Geschmack relativ unausgewogen geworden, denn ist die Buchvorlage doch eher einfach gehalten, wird in der Verfilmung hin und her gewechselt. Ich habe mich tatsächlich (und hauptsächlich in der ersten Stunde) teilweise richtig gelangweilt. Es gibt Szenen, wie aus dem Buch, die für Kinderaugen geeignet sind, dann wieder etwas Herr der Ringe, nur mit etwas mehr Blut. Es fallen aber auch so eindeutige filmische Parallelen zu HDR und HOBBIT auf: Statt Frodo geht Bilbo auf die Reise, gut geschenkt, gehört zur Geschichte. Gandalf stößt sich in Bilbos Heim wieder den Kopf und demonstriert seine Macht durch‘s ….naja, bekannt, das haben wir alles schon so oder ähnlich gesehen, nichts Neues also. Der Albino-Ork taucht gar nicht im Buch auf (das heißt schon, aber in der Vorlage ist er bereits tot), so macht er im Film gnadenlos Jagd auf die Zwerge (um eindeutig die Spannung im Film zu erhalten, würde ich meinen). Es werden Fremdsprachen gesprochen, die so auch nicht in der Vorlage auftauchen, genau wie die ganzen Dynastien etc.  Und was Elbenfürstin Galadriel (Cate Blanchett) und Saruman (Christopher Lee) in dem Film verloren haben, frage ich mich auch. Ich habe stark die Vermutung, dass Peter Jackson sein eigenes persönliches Opus Magnum erschaffen will, das kann er ruhig tun oder versuchen (er hat es meiner Meinung schon mit der HDR-Trilogie längst geschafft), künstlerische Freiheit nennt man das, aber müssen es wirklich zusätzlich 3 überlange Filme werden? Die Magie, die HDR von Anfang an ausstrahlte, konnte ich bei diesem Werk leider nicht wahrnehmen. Ja, ich weiß, es ist der erste Teil, zwei weitere werden noch folgen, Ruhig Blut. George Lucas hatte es allerdings auch versucht (nur böse Menschen würden ihm Profit, anstatt Künstlerisches Schaffen vorwerfen, oder?!) und das Ergebnis ist ebenso nicht gerade auf breite Zustimmung gestoßen (mich eingeschlossen). Ich weiß, ich bin etwas voreilig mit meiner Einschätzung, aber ich bleibe erstmal misstrauisch. Vielleicht liegt  aber auch (nach dem grandios unbestrittbaren HDR-Erfolg) die Messlatte für Jackson so verdammt hoch, dass er unterm Strich tatsächlich es nicht wirklich jedem Recht machen kann.  
Aber es gibt natürlich auch Positives zu berichten. Als eindeutiger Glücksgriff erwies sich die Hauptrollenbesetzung des Bilbo durch den exzellenten Martin Freeman, der zuvor vielen aus der sehr beliebten BBC-Serie SHERLOCK bekannt sein durfte. Freeman spielt wunderbar, genau wieder wie Gandalf, mit dem Weltklasse-Schauspieler Ian McKellen (wer GODS AND MONSTERS noch nicht gesehen hat, bitte nachholen!). Die allerbeste Szene für mich war auch die Begegnung mit Bilbo und Gollum, in dem dann erzählt wird, wie der Ring (von deren Wichtigkeit Bilbo da noch nicht gewusst haben kann) in seinen Besitz kam.

Auf die Gefahr hin, dass ich mich hier bei einigen unbeliebt mache (vermutlich habe ich das schon bei einigen Hardcore-Fans mit dem bereits Verfassten), möchte ich hier noch etwas zum 3D-Boom in den Kinos schreiben und vor allem was ich davon halte: wenig bis gar nichts nämlich. Das AVATAR, dass alles vor Jahren ins Rollen brachte, ein guter Film ist, der aber hauptsächlich wegen seiner sehr sehenswerten Special Effects zu sehen lohnt, geht in Ordnung. Ich will hier nicht den Klugscheißer raushängen lassen, aber mir war damals relativ schnell klar, als die Kinos auf 3D umgerüstet haben, das nach Camerons Sensationserfolg es eigentlich nur noch Berg ab gehen kann. Waren die Leute wirklich so naiv zu glauben, dass jeder Film wie AVATAR aussehen wird? Was folgte waren oft ziemlich miese 3D Versuche (am allerschlimmsten die, die erst in der Produktion von 2D auf 3D um projeziert wurden), die eine Frechheit und das Eintrittsgeld einfach nicht wert waren. Offen gestanden, habe ich DER HOBBIT nicht in der erhöhten Bildfrequenz (48 statt den üblichen 24 Bilder pro Sekunde) gesehen und ich bezweifele auch mal das Hobbits und Zwerge in extremer Bildschärfe auch wirklich sexy für’s Auge rüberkommen. Auch das was ich so an Stimmen von denjenigen, die den Film mit dieser HFR-Technik im Lichtspielhaus gesehen haben, waren nicht alle sonderlich positiv gestimmt. DER HERR DER RINGE kam ohne diese Technik aus und sieht immer noch zeitlos grandios aus. Die 3D-Effekte sind vielleicht ein netter Nebeneffekt, aber brauchen wir diese wirklich? Ein gelungenes Drehbuch ist und bleibt das A und O, damit steht oder fällt ein Film. So einfach ist das.
Spannend auch die Frage, wie das Ergebnis wohl bei Guillermo del Toro ausgesehen hätte. Übrigens, wenn es neben DER HERR DER RINGE ein Werk in Jacksons Filmografie gibt, dass ich immer wieder gern anschaue, dann ist es HEAVENLY CREATURES  von 1994, das der damals eher unbekannten Kate Winslet die erste größere Hauptrolle beschert hat, good Choice Peter.

Am Ende erwacht jedenfalls der Drache aus dem Schlaf und dann blinzelte in mir doch noch die Hoffnung auf, das es beim zweiten Teil SMAUGS EINÖDE noch  etwas mehr in Richtung Großtat aufwärts geht. Der Trailer lässt es überaus erhoffen. Der Streifen ist diese Woche in Deutschland angelaufen und als erstes vergebe ich:

07/10

Samstag, 30. November 2013

Blue Jasmine (2013)

Mein liebster und zugleich produktivster Schwerenöter Woody Allen hat wieder einen Film gemacht, wie fast jedes Jahr eigentlich. Sein letztes, nahezu märchenhaftes Werk MIDNIGHT IN PARIS (2011) war bis dato sogar sein erfolgreichster, gemessen zumindest an den Zuschauerzahlen (plus als Krönung den Oscar für das beste Originaldrehbuch). Sein aktueller Beitrag heißt BLUE JASMINE, ob dieser allerdings bei den anstehenden Preisverleihungen eine große und weitreichend tragende Rolle spielen wird, bezweifle ich etwas, wohl aber in einer ganz entscheidenden Hauptkategorie wird er ohne Frage dominieren, aber dazu gleich mehr. Liest sich, als hätte der Film mir nicht sonderlich gefallen, aber genau das Gegenteil ist der Fall.

Jasmine (Cate Blanchett) sitzt im Flieger, natürlich Business-Class, unterwegs von New York nach San Francisco zu ihrer doch etwas einfach gestrickten Adoptiv-Schwester Ginger (Sally Hawkins). Sie hat alles verloren, ihren Mann Hal (Alec Baldwin), der sie mehrfach betrogen hat und vor allem das ganze heißgeliebte Vermögen. Pleite versucht sie wieder Fuß zu fassen, doch durch ihren starken Alkoholkonsum und der Psychopharmaka treibt sie sich immer mehr in den Schlamassel, selbst der ungeliebte und schamerfüllte Job in der Zahnarztpraxis gerät zum Fiasko (was allerdings nicht unbedingt zwingend an ihrem Fehlverhalten liegt) und ihr Sohn will ebenfalls nichts mehr ihr zu tun haben. Doch dann lernt sie unvorbereitet auf einer Party den charmanten und wohlhabenden Dwight Westlake (Peter Sarsgaard) kennen und sie schöpft wieder Hoffnung, in ihre alte Rolle als verwöhnte und prollige Upper-Class Lady aufzusteigen. Gibt’s nun doch noch ein Happy End für Jasmine?

Jasmine heißt eigentlich in Wirklichkeit Jeannette und da beginnt schon das trügerische Lügengespinst, denn sie findet Jasmine klingt einfach harmonischer und will nur noch mit diesem Vornamen angesprochen werden. Sie scheint ihre Umwelt auch nicht richtig reflektieren zu können, sehr schön dargestellt gleich in der ersten Szene, als sie im Flugzeug ihre ganze Lebensgeschichte einer Platznachbarin (oder sagen wir mal Opfer) erzählt, sie plappert einfach drauf los und kommt zu keinem Ende.
Es prallen zwei Welten aufeinander, als sich Jasmine und Ginger das erste Mal im Film begegnen, wie Feuer und Wasser sind die Beiden. Jasmine, die Alltagsfremde, die vor ihrem Niedergang zu den oberen Zehntausend in New York gehörte und bekannt war für ihre köstlichen Dinnerpartys, stets elegant gekleidet, die nie richtig gearbeitet hat und nun den Wunsch äußert, einen Online-Kurs für Innenarchitektur absolvieren zu müssen, dumm nur dass sie  nicht mal einen Computer richtig bedienen kann, geschweige denn in der Lage ist diesen überhaupt einzuschalten. Auf der anderen Seite Ginger, geschieden, Mutter zweier übergewichtiger Söhne, aber im Gegensatz zu Jasmine bodenständiger, denn Sie verdient sich ihren Lebensunterhalt immerhin als Supermarktkassiererin. Sie hat zwar ihr Herz am rechten Fleck, aber eine besondere Schwäche für etwas prollige Typen, die Jasmine alle für Versager hält. Es stößt Jasmine bitter auf, als Sie das erste Mal die Wohnung Gingers betritt, jetzt ist sie wohl in der Realität angekommen. Ihren Ekel kann man im Gesicht Blanchetts deutlich sehen, schnell betrinkt sie sich, um diesen Schock erstmal zu überwinden.

Der Film wechselt zeitlich immer wieder in die Vergangenheit, wo wir ihren Ex-Mann Hal und den ausschweifenden Luxus-Alltag Beider beobachten können. Hal ist ein Schwindler und hat beruflich als Investmentbanker viel Mist gebaut, aber ausschlaggebend für Jasmines Misere ist wohl eindeutig seine Untreue. Der Weg in die persönliche Hölle ist nur mit einem Telefonanruf von Jasmine geebnet, ausgelöst aus reinen Rachegelüsten. Der Abstieg macht sich bei ihr auch optisch bemerkbar, das Make-Up sitzt nicht mehr, Augenringe kommen zum Vorschein und die Schwitzflecken auf ihrer teuren Seidenbluse werden deutlich sichtbar. Sie merkt selbst aber am wenigsten von ihrem heran nahenden Niedergang und es gibt nur einen Weg für sie: nämlich geradeaus abwärts. Sie ist allerdings auch äußerst naiv, denn sie weiß nicht genau was ihr Mann geschäftlich so wirklich treibt, bürgt aber für ihn. Für sie zählt nur der Luxus und solange das Geld im Überfluss vorhanden ist, stellt sie keine Fragen. Oberflächlichkeit deluxe.
Sehr gelungen auch die Szenen zwischen Blanchett und ihren Chef in der Zahnarztpraxis Dr. Flicker (gespielt von Michael Stuhlbarg, bekannt aus dem wundervollen Coens-Film A SERIOUS MAN) der immer aufdringlicher zu ihr wird und sich vor lauter Geilheit nicht mehr unter Kontrolle hat. Die restlichen Schauspieler machen ihre Sache auch ganz prima, Alec Baldwin und Peter Sarsgaard sind optimal besetzt, genauso wie die Stand-Up Comedians Louis C.K. und Andrew Dice Clay, ebenso Bobby Cannavale, der u.a. in Kult-Fernsehhits wie SIX FEET UNDER oder BROADWALK EMPIRE zu sehen war. Aber vor allem Sally Hawkins hat mir hier in der White-Trash-Rolle sehr gut gefallen, das könnte sich letztlich auch mit einer verdienten Oscarnominierung als beste Nebendarstellerin für sie auszahlen.

Für interessante Frauenrollen ist Woody Allen immer wieder gut, das hat er in seinem bisherigen Lebenswerk nachhaltig bewiesen und regelmäßig werden diese auch preisgekrönt, wie z.B. vor paar Jahren im Falle von Penelope Cruz. Diese Figur Jasmine ist eine sehr komplexe und nur eine besondere Schauspielerin kann diese so glaubhaft spielen, wie Blanchett es hier bemerkenswert fertig gebracht hat. Dabei hatte Allen Glück, denn Blanchett war wohl Jahrelang für’s Theater verpflichtet, zwischendrin hatte sie aber etwas Luft und nahm das Angebot an.
Wunderbar, wie Allen seither immer wieder den gleichen Schriftzug in seinen Filmen verwendet, die Schauspieler schön in alphabetischer Reihenfolge gegliedert, alle sind gleichwertig, egal wie populär die Einzelnen auch sind, das gefällt mir. Er hat auch immer wieder in Interviews den großen Regisseur Ingmar Bergman als sein Vorbild auserkoren, das konnte man vor allem in dem Film INNENLEBEN aus dem Jahr 1978 mit einer der besten Schauspielerinnen aller Zeiten, nämlich Geraldine Page, genießen dürfen. In BLUE JASMINE schimmert aber auch immer Mal dezent etwas Bergman durch.

Es ist oft nachzulesen, dass sämtliche Kritiker den Film mit ENDSTATION SEHNSUCHT vergleichen, tatsächlich haben diese Werke in der Handlung einige unübersehbare Gemeinsamkeiten. Die Idee zum Film hat sich Allen aber nicht von Tennessee Williams abgeguckt, sondern von einer Frau aus seinem Bekanntenkreis, die wohl genau die gleiche Aversion wie Blanchett im Film durchlebt hat.

!SPOILER!START!

Am Ende sehen wir Cate Blanchett in der Großaufnahme. Sie sieht ziemlich mitgenommen und ungeschminkt aus, redet weiter wirr im Monolog und gar streitig vor sich hin, die Sitznachbarin auf der Parkbank entfernt sich rasch von ihr. Das schaut alles sehr schwermütig aus, die Frau ist gebrochen und ruiniert, es gibt wohl doch leider kein Happy-End mehr für Jasmine. Klingt in der Tat sehr deprimiert, ist aber genial gespielt und doch eher untypisch für ein Woody Allen Finale, das hier sehr konsequent den Leidensweg seiner Protagonistin zu einem, wie ich finde, absolut befriedigtem Abschluss findet. Das ‚Blue‘ im Filmtitel steht nicht für die wunderschöne Augenfarbe Blanchetts, sondern wohl eher für ihr andauerndes Allgemeinbefinden, denn: der Wodka steht für Jasmine  immer griffbereit. Und im Hintergrund läuft „Blue Moon“.

!SPOILER!ENDE!


Cate Blanchett sagte mal in einem Interview: „Der Film ist eine Reise, aber nicht unbedingt eine fröhliche“. Da hat sie Recht, es ist ein wohldosierter und böser Trip. Mich hat Blanchett mit dieser Performance auch stark an die großartige Gena Rowlands in EINE FRAU UNTER EINFLUSS erinnert, ein Meisterwerk von der Regie-Independent Ikone John Cassavetes , ebenfalls sehr empfehlenswert.

Ich verwette meine komplette DVD-Sammlung, dass die charismatische Blanchett für diese Rolle ihren zweiten Oscar erhalten wird. Keine andere Schauspielerin in diesem Jahr kann ihr nur an nährend das Wasser reichen. Ein Film zwischen Trostlosigkeit und Komik. Cate Sing The Blues, verbittert, wahrhaftig und wahnwitzig. Eine Meisterleistung, danke Cate.

8.5/10

Sonntag, 3. November 2013

Liberace - Zu viel des Guten ist wundervoll (2013)

Als ich vor Monaten zum allerersten Mal das Filmplakat zu LIBERACE (BEHIND THE CANDELABRA) gesehen habe, spukten mir gleich zwei Gedanken durch den Kopf: Wie befremdlich sehen bitte Michael Douglas und Matt Damon da bloß aus und überhaupt: Who The Fuck Is Liberace? Geht's da um gewöhnungsbedürftige Mode? Oder ist das eine Hommage an Siegfried und Roy? Nach anschauen des Trailers war ich dann um einiges schlauer. Liberace war also ein sehr populärer Entertainer und Pianist, der überwiegend in seiner Heimat Amerika Riesenerfolge feierte, angeblich zur damaligen Zeit noch berühmter als Elvis (O-Ton Michael Douglas). Ich bin Jahrgang '79 und wohl (entschuldigt) zu jung, um über ihn als Legende Bescheid zu wissen.

Die gänzlich zusammenfassende Handlung:

Las Vegas, 1977. Der etwas naive Waisenjunge und Tierpfleger Scott (Matt Damon) lernt durch einen Agenten die Showattraktion Walter Liberace (Michael Douglas) kennen. Der knackige Scott ist angetan von seinem Spiel und ausschweifenden Lebensstil und trotz des großen Altersunterschiedes zieht er bald in seine prunkvolle und an Kitsch nicht zu übertreffende Villa ein. Zuerst hörig lässt sich Scott sogar diverse Schönheitsoperationen (die geradewegs in eine fatale Tabletten- und Drogensucht münden) über sich ergehen lassen, um seinen Lover und 'Ersatz-Daddy' zu gefallen. Einige Zeit läuft alles gut, doch irgendwann bekommt die Zweisamkeitsharmonie Risse und der sexsüchtige Liberace schaut schon nach seinem nächsten Jüngling Ausschau. Nach fünf Jahren trennen sie sich und Scott wird nach einem Rechtsstreit mit viel Geld davongejagt. Wenige Jahre später treffen sich Beide noch einmal, auf Wunsch von Liberace, der im AIDS-Endstadium sterbend im Bett liegt. Scott, mittlerweile von seiner Drogensucht rehabilitiert willigt ein und sie versöhnen sich schließlich, bevor Liberace das Zeitliche segnet.

Die erste Szene in LIBERACE ist schon recht wegweisend für den Film. Scott lernt in einer Szene-Bar einen Typ kennen, sie begegnen sich und reden kurz miteinander. Wir vermuten zuerst, dass das in einem One-Night-Stand endet, aber da täuschen wir uns. Dieser Mann oder auch besagte 'Agent' ist im Auftrag von Liberace unterwegs, der ganz genau weiß, welcher Typ Mann seiner Aura und Charme erliegen kann und letztlich auch wird. Wegweisend deswegen, weil man hier anhand von Liberace an der Nase geführt wird oder auch kurz gesagt: hier wird in seiner sonderbaren Welt viel gevögelt und vor allem noch mehr gelogen.

LIBERACE ist kein typisches Biopic-Movie, das sehen wir schon allein daran, da der Film dort einsteigt, als Liberace bereits ein bekannter Star ist. Wir erfahren nicht viel aus seiner Vergangenheit und zugegeben ist es auch nicht sonderlich einfach, eine komplette Lebensgeschichte in nur 2 Stunden überzeugend umzusetzen (da würde sich ein Serien-Format mehr zu eignen), so haben sich die Verantwortlichen auf die Ereignisse zwischen den zwei Hauptprotagonisten beschränkt, überwiegend aus der Sicht von Matt Damons Charakter geschildert. Macht Sinn, denn der Film basiert tatsächlich auf einer Autobiographie "Behind The Candelabra: My Life with Liberace" von Scott Thorson, die er ein Jahr nach Liberaces Tod veröffentlicht hat und Richard LaGravenese (DIE BRÜCKEN AM FLUSS) hat den Stoff für diese Produktion adaptiert. Durch diese eher einsichtige Sichtweise von Thorson ist der Film aber leider nicht wirklich rundum perfekt geworden, denn angeschnittene Themen und bestimmte Personen werden viel zu kurz abgefrühstückt oder schlichtweg ignoriert, wie z.B. die angebliche Bisexualität von Scott oder auch wie er nach seiner Trennung von Liberace wieder ein anständiger und cleaner Bürger werden konnte. Von seinen Eltern erfahren wir auch nicht viel und das gleiche gilt auf für Liberaces Mutter, die nur paar wenige Momente im Film zu sehen ist, gespielt übrigens von Debbie Reynolds (SINGIN' IN THE RAIN), die ich gar nicht erkannt habe. Ebenso wie Dan Aykroyd (DRIVING MISS DAISY) als seinen Manager Seymour Heller, der sich überwiegend hinter einer opulenten Sonnenbrille versteckt.

Michael Douglas. Als Sohn einer Hollywood Legende, 2-facher Oscar-Gewinner (für seine Hauptrolle in WALL STREET), bekennender Atheist, linke Hollywoodgröße und als Schlagzeilenträchtiges Oralsex-Opfer hat er so viele interessante und wegweisende Filme in seiner langen Karriere gedreht und produziert (für EINER FLOG ÜBER'S KUCKUCKSNEST bekam er seinen ersten Goldjungen; Platz 2 meiner Lieblingsfilme Aller Zeiten), das er niemanden mehr etwas beweisen muss und es ist auch wirklich wundervoll anzuschauen, wie er sein Schauspieltalent in LIBERACE zu einem neuen Level pusht und eine überaus leidenschaftliche Vorstellung in diesem Spätwerk zum Besten gibt. Wenn er als Liberace zum ersten Mal sein Toupet absetzt, dann sieht er aus wie des Schlumpfs schlimmster Feind Gargamel und sein unförmiger Körper lässt auch allen Glitzer und Glamour nur so davon verpuffen. Aber wenn er wiederum als Rampensau im Scheinwerferlicht  mit seinem meterlangen weißen Chinchillapelz über die Bühne torkelt und dann noch mokant ins Publikum ruft: "Könnt ihr mich sehen?" hat eine Präsenz, die einen mit offenem Mund zurücklässt. Ob nun aus voller Begeisterung oder wegen des schlechten Geschmackes, sei dahingestellt.

Es gibt eine vortreffliche Szene im Film, die sich im Laufe der Handlung wiederholt und die Masche von Liberace somit sinngemäß entlarvt. Als Scott das erste Mal Liberace Backstage kennenlernt, sehen wir vorn einen Mann sitzen der isst und die Unterhaltung der Beiden mit einer leicht zickigen Miene verfolgt, dem das nicht wirklich zu gefallen scheint. Es ist Scotts Vorgänger und später sehen wir exakt die gleiche Einstellung im Film, dann allerdings mit Scott im Vordergrund, dem das gleiche Schicksal wiederfahren wird. Gehörst du zum alten Eisen und gehorchst Liberace nicht? Dann erfüllst du den Zweck nicht mehr und wirst abgeschafft. Man spricht das Offensichtliche nicht direkt aus. So wird Scott von seinem Pflegevater gefragt, ob er sich denn mit seinen 'San Francisco Freunden' trifft... wir wissen aber genau was er damit meint, das ist keine geographische, sondern eine eindeutig sexuelle Aussage. Liberace selbst hat Scott auch öffentlich nur als Chauffeur präsentiert. Tatsächlich führen die Beiden aber eine Vater, Bruder, Liebhaber, bester Freund Beziehung. Sogar von Adoption ist die Rede.

Matt Damon spielt diesen Boytoy Scott Thorson, eigentlich die tragische und komplexere Figur in diesem Film. Erstaunlich, das er sich damals auf diese schmerzhaften Gesichtsschönheits-OPs überreden lies, um seinen Gönner als sein Ebenbild noch besser zu gefallen, aber letztendlich wird auch er von Liberace nur ausgebeutet und 'entsorgt', wenn er nicht nach seiner Pfeife tanzt. Unkontrolliert lässt sich Scott immer wieder seine nötigen Pillen verschreiben um zu 'funktionieren', aber irgendwann hat er sich nicht mehr unter Kontrolle. Angesprochen auf die Sex-Szenen im Film sagte Matt Damon einem Reporter bei der Weltpremiere in Cannes: "Jetzt habe ich etwas mit Sharon Stone und Glenn Close gemeinsam!". Sympathisch. Im Gegensatz zu Damon ist der reale Scott Thorson allerdings ein ziemlich seltsamer Zeitgenosse, der bei einem Interview zudem aussagte, angeblich eine Liebesaffäre mit Michael Jackson gehabt zu haben obwohl er jetzt illusorisch hetero ist?! Hat Gott den gläubigen Scott jetzt 'umgedreht', oder wie? Sehr strange, vermutlich ist aber sein opulenter Drogenmissbrauch und die damit angerichteten Folgeschäden an solchen wirren Aussagen schuld daran, wer weiß.

Ex-BRAVO-Posterboy Rob Lowe hat einen köstlichen Auftritt mit seiner perfekt geschminkten und grotesken Horror-Visage als Liberaces Schönheitschirug und sorgt mit seiner Darstellung als Dr. Startz für einige Lacher. Dieser sagt auch unverblümt seinem berühmtesten Patient, dass er nach dem Eingriff seine Augen nicht mehr richtig schließen könne. Was wiederum für einen abstrusen Moment im Film sorgt, als sich nämlich Damon über Douglas Schnarchen beklagt und sich dann zu ihm umdreht, zum fürchten!

SEX, LÜGEN UND VIDEO (1989) hieß das gefeierte Debüt-Werk vom Independent-Regisseur Steven Soderbergh. Falls das nun tatsächlich sein letzter Film sein soll (wie er das selbst vielerorts schon überdrüssig behauptet hat), dann passt es allerdings perfekt und bildet einen gelungenen Abschluss für seine beachtenswerte Filmografie, denn Sex und Lügen gibt es zu Hauf in LIBERACE.
Interessant übrigens die Tatsache, dass in den USA dieses Werk 'nur' für den erfolgsverwöhnten und bahnbrechenden Pay-TV-Sender HBO gedreht wurde, da der Stoff den großen Hollywood-Studios als 'zu schwul' erschien. Ich wundere mich schon gehörig, da es in der Vergangenheit viele Filme mit dieser Thematik zwar zu reichlich Kontroverse, aber ebenso auch zu viel Ruhm und Erfolgen gebracht und die es allesamt zu absoluten Klassikern gebracht haben. BROKEBACK MOUNTAIN ist so ein gutes Beispiel, aber das hat schon in den 30ern angefangen mit Marlene Dietrich in MAROKKO, vielleicht sogar noch früher.

Der selbstverliebte Paradiesvogel Liberace hat alle Behauptungen bezüglich seiner Homosexualität bis zu seinem Tod stets verleugnet und sogar Presseveröffentlichungen anhand von Gerichtsbeschlüssen verboten, was eigentlich rückblickend absolut lächerlich erscheint. Wenn man sich allein seine pompösen Liveshows anschaut und wie er damals selbst auf der Bühne agiert hat, das schreit förmlich nach G-A-Y. Sogar seine eigene Biographie, die er noch zu Lebzeiten veröffentlicht hat, ist nichts als eine gedruckte Lebenslüge. Da wurden die Namen all seiner Liebhaber in Frauennamen umbenannt, dabei war er offensichtlich so ziemlich stockschwul mit einer ausgeprägten Schwäche zu besonders jungen Männern. Andererseits hätte ein Outing in der damaligen konservativen Gesellschaft wohl auch seinen kommerziellen Selbstmord bedeuten können.

Und wie ist der Film nun? Er ist ironisch und extravagant protzig, aber auch gleichzeitig erstaunlich einfühlsam. Ja, er ist aus verschiedenen Beweggründen sehenswert. Vielleicht weil es Soderberghs womöglich doch letzter Mainstream-Kinofilm ist (begründet mit seiner Unzufriedenheit der aktuellen US-Filmindustrie, will er jetzt hauptsächlich für's Fernsehen drehen). Vielleicht auch wegen seiner wirklich grandiosen Ausstattung. Auf alle Fälle wegen Douglas und Damon (das muss man gesehen haben, wie Beide eigentlich als heterosexuelle Mannsbilder küssend und kopulierend übereinander herfallen). Und die letzte Szene natürlich, die sich allein in Matt Damons Vorstellung abspielt, ist ebenfalls superb gelungen und ein fürstlicher Abschluss dieser bizarr glitzernden Welt des doch sehr eigentümlichen Liberace, den man trotz seines Talents (als einer der schnellsten Pianospieler der Welt) letztendlich nicht wirklich ernst nehmen kann.

"Too much of good Things is wonderful". Nach dem Kinobesuch klebt es förmlich überall nur so vor lauter Bonbons, Konfekt und Bling Bling, aber der oberflächlich volle Prunk und süßlich skurille Geschmack hat wirklich nicht schlecht gemundet.


7.5/10

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Prisoners (2013)

An Thanksgiving verschwinden die zwei kleinen Mädchen der Eheleute Keller (Hugh Jackman) und Grace Dover (Mario Bello) sowie Nancys (Viola Davis) und Franklin Birch (Terrence Howard) spurlos. Schnell ist ein Sündenbock gefunden, nämlich der geistig zurückgebliebene und bei seiner Tante Holly (Melissa Leo) untergebrachte Alex Jones (Paul Dano), verdächtig gemacht durch sein abgewracktes Wohnmobil, das zu der Zeit auf der Straße der Birchs parkte. Der  Detektiv Loki (Jake Gyllenhall), der bisher jeden seiner Fälle gelöst hat, wird beauftragt die Mädchen zu finden. Wird er sie rechtzeitigen retten können? Und ist Alex tatsächlich der Täter?

Mehr Inhaltsangabe braucht man erstmal auch gar nicht. Die Ausgangssituation ist spannend genug und ich denke jeder kann sich (auch kinderlos) in eine solche Horrorlage versetzen, wenn der eigene Nachkomme ohne ein jegliches Lebenszeichen wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint.

Mir war der Regisseur Denis Villeneuve bisher ein unbeschriebenes Blatt, er drehte den mir unbekannten Film DIE FRAU DIE SINGT (2011), der im selbigen Jahr für den Auslands-Oscar nominiert war. Das hier ist sein erster, großer US-Film und es scheint, als hätte Villeneuve alle richtigen Hebel in Gang gesetzt.

Die Geschichte ist mitreißend erzählt, zuerst etwas langsam, nimmt diese im Verlauf der Handlung immer mehr an Fahrt auf und das bei einer Länge von fast 2,5 Stunden. Die dargebotene Erzählung ist äußerst interessant, denn PRISONERS spielt bewusst mit dem Zuschauer, zumindest weckt dieser beim zuschauen eine Reihe von Emotionen aus, bei dem man sich die Frage stellt: Hätte ich das in so einer Extremsituation genauso gemacht wie die betreffende Person im Film? So ging es mir zumindest. Villeneuve gelingt der Coup das fantastische Drehbuch so umzusetzen, das man durchweg mit fiebert, er baut spannende Twists ein und letztlich voller Erwartung rätseln wir, wer nun tatsächlich hinter dem Übeltäter steckt. Ich empfand die finale Auflösung persönlich ein klein wenig enttäuschend, aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Die religiöse Kompenente ist in diesem Film sehr breit verstreut, für meinen Geschmack etwas too much, könnte vielleicht aber auch damit zusammenhängen, weil ich überzeugter Atheist bin, aber ich kann es wiederum nachvollziehen, die Tragödie in einem solchen konservativ gläubigen Umfeld spielen zu lassen, da so ein Verbrechen dort für ein ganz besonderes Echo sorgt . Wie auch immer, die letzte Einstellung im Film ist definitiv ein Glanzstück.
So wie die Story ist auch die Bild-Darstellung in diesem Thriller stets düster und regenreich gehalten, nicht umsonst wurde der Film vielerorts mit der Ästhetik eines David Finchers (SE7EN) verglichen.

Die Besetzung ist natürlich erste Sahne. Allen voran Hugh Jackman bietet hier eine wunderbare Darstellung des Familienvaters Dover ab, der sich nach dem Verschwinden seiner Tochter immer weniger unter Kontrolle hat. Nachdem die Polizei den Hauptverdächtigen Alex nach 24 Stunden wieder freigelassen hat, kann er diese Entscheidung nicht akzeptieren und versucht das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen. Er kidnappt Alex und versucht aus ihm ein Geständnis rauszuholen. Auch wenn man natürlich die Beweggründe von ihm nachvollziehen kann, aber ist es moralisch richtig, was er da tut? Welchen Preis muss er dafür zahlen und wie kann er damit weiter leben, was er getan hat? Das wird sich auch Loki fragen müssen, eindringlich gespielt von Jake Gyllenhall, der ebenfalls eine klasse Vorstellung abliefert. Als einsamer Detektiv und überzeugt den Fall schnell auflösen zu können, macht auch er an einigen entscheidenen Stellen ebenfalls Fehler und steht kurz davor wie Keller frustriert die Beherrschung zu verlieren. Die Charaktere sind fein ausgearbeitet, wie man am besten an den zwei Elternpaaren sieht, da die doch im Laufe der Handlung unterschiedlich auf die beunruhigenden Ereignisse reagieren.
PRISONERS ist einer der seltenen Glücksfälle in Hollywood, wo vieles richtig gemacht worden ist. Ein talentierter und unverbrauchter Regisseur, ein fesselndes Drehbuch, eine hervorragende Darstellerriege. Dazu natürlich die kreativen Profis hinter der Kamera (der wunderbare Roger Deakins) und Kulissen, wie z.B. Joel Cox, der verantwortliche Editor für einige Clint Eastwood Klassiker hielt hier seine schützende Hand über das Projekt, so dass das große Studio sich nicht in das Geschehen zwingend eingemischt hat, was dem Film letztlich auch gut getan hat. Das Endresultat ist dann auch keine Standard-Kost aus dem Thriller-Genre, denn dieses kreative Werk hebt sich deutlich von seinen Konkurrenten ab und lässt wirklich niemanden kalt, das spürt man förmlich bei einigen Schock-Szenen, die so real sind, das sich jeder in solche Lage problemlos reinversetzten kann, da reicht auch schon eine einfache Warm- u. Kaltwasserleitung. Wer den Film bereits gesehen hat, weiß was ich meine.

Ja, der Film schont seine Zuschauer nicht! Besonders die Folterszenen zeugen nicht gerade von Sensibilität (mag man sie auch nicht direkt sehen, nur akustisch mitbekommen), für viele Zartbesaitete dürfte das schon Grausen genug sein. Mir persönlich gefällt das Endergebnis außerordentlich gut, einer der faszinierendsten und wirkungsvollen Thriller seit langem und von denen gibt es mittlerweile auch nicht mehr so viele. Das ist einer dieser Filme, bei dem es lohnt sich diesen ein zweites Mal anzuschauen, denn dieser teilt nicht das Geschehen in Schwarz oder Weiß und Gut oder Böse auf. Man wird selbst gefordert in diesem Film und zum nachdenken gebracht und wer weiß, vielleicht haben wir ja alle eine dunkle Seite in uns?

Es scheint, als würde das Kinojahr 2013 auf der Zielgeraden nochmal seine besten Pferde ins Rennen schicken. Top!

 
09/10

Mittwoch, 9. Oktober 2013

Gravity (2013)


Geschlagene vier Jahre hat sich Regisseur Alfonso Cuarón (CHILDREN OF MEN) für sein neuestes Werk Zeit gelassen. In 3-D gefilmt hat der Streifen bereits soviel Lob im Vorfeld erhalten, das man zwar gespannt, aber auch mit einem kritischem Augenzwinkern bewaffnet war, was einem da letztlich auf der großen Leinwand erwarten wird. Als einer der ‚Besten-ScFi-Filme‘ wurde dieser großmäulig angekündigt, selbst James Cameron, verantwortlich für die zwei kommerziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten,  hat dem Film seinen Ritterschlag erteilt. Don‘t believe the Hype! Oder vielleicht doch? Die Geschichte ist schnell erzählt.

Astronaut Matt Kowalski (George Clooney) und Ingenieurin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock) mitsamt dritten Kollegen führen Reparaturarbeiten am einen Weltraumteleskop durch. Im permanenten Kontakt mit der NASA Kommando-Zentrale in Houston bekommen sie mit, dass ein russischer Satellit im Erdorbit zerstört wurde und die Trümmerteile nun ziellos in der Umlaufbahn umher fliegen. Nach dem ersten Funkspruch zuerst als nicht bedrohlich eingestuft wird dann allerdings schnell klar, dass die unberechenbare Katastrophe kurz bevorsteht. So zerstören die Trümmereinschläge die Funkverbindung zu Houston, den Arbeitsplatz von Kowalski und Stone, als auch das Space-Shuttle der Beiden und der Überlebenskampf beginnt.

Es hat Zeit gebraucht, Cuaróns Fiktion so umzusetzen, bis die Digital Technik das erlauben konnte, was sich der mexikanische Visionär als Endprodukt vorgestellt hat, aber das Warten hat sich gelohnt. Das Ergebnis ist bestechend bis wegweisend ausgefallen und mit seinen angenehmen 90 Minuten Spielzeit glücklicherweise auch nicht unnötig in die Überlänge oder Langeweile abgedriftet.
Das Abenteuer beginnt mit einer eindrucksvollen ungeschnittenen 13-minütigen Szene, bei dem wir mit Clooney zusammen in der Schwerelosigkeit gleiten, allerdings ist es dann auch schon bald vorbei mit der Ruhe, das Unglück bricht gnadenlos herein und die Sauerstoffreserven werden allmählich knapp. Menschliche Großthemen wie Einsamkeit, Angst und der Tod spielen in diesem Weltraum-Thriller die Hauptrolle. Und eine Art Reinkanation.

Die Bildersprache in GRAVITY ist bahnbrechend. Verantwortlich hierfür ist Emmanuel Lubezki, der schon für seine Arbeit in den Filmen THE TREE OF LIFE und SLEEPY HOLLOW hochgelobt wurde. Auch die musikalische Untermalung ist sehr wirksam und gelungen, Komponist Steve Price und Sound-Designer Glenn Freemantle haben hier den richtigen Ton getroffen. Viele Kritiker bemängelten etwas das doch arg reduzierte Drehbuch, ich habe mich persönlich nicht daran gestört, denn GRAVITY ist in erster Linie vor allem ein optisches Erlebnis. Das letzte, was ich mir gewünscht hätte, wäre ein unangemeldeter Besuch von irgendwelchen Außerirdischen, die den Überlebenskampf für die Protagonisten nur noch mehr zu erschweren. OK, die etwas nervige Country-Musik von Space Cowboy Clooney  hätte man auch gern weglassen können….vielleicht sind auch deswegen die Aliens weggeblieben.

Schön auch, wie Cuarón sich vor anderen Genre-Klassikern elegant verbeugt und diesem seine Ehre erweist, wie z.B. die Szene, in der Bullock zum ersten mal ihren Astronauten-Anzug auszieht und sich dann in Unterwäsche wie ein Fötus zusammenrollt (und somit metaphorisch eine ‚Wiedergeburt‘ erlebt, zusammenhängend mit einer tragischen Backstory der Protagonistin). Kubricks 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM lässt schön grüßen, ebenfalls denkt man natürlich auch an DIE Ikone des Weltraum-Horrors, Sigourney Weaver’s Ellen Ripley aus ALIEN! Der großartige Schauspieler Ed Harris ist zwar keine Sekunde im Film zu sehen, dafür hört man im Original seine markante Stimme als Mission Control aus Houston von der Erde….das ist dann auch eindeutig eine Hommage an  APOLLO 13 von Ron Howard.

George Clooney agiert gewohnt mit leicht schwätziger Ironie seine Rolle, streng genommen ist er aber nur eine Nebenfigur in diesem Schauspiel und das ist klug gewählt, denn durch seine Coolness versuchen die Macher eine Balance zu halten zwischen Kowalski und Stone, die Bullock durchweg fast nur ernst darstellt.

Das Spiel von Sandra Bullock ist dann auch weitaus interessanter und geht tiefer als Clooneys Performance und bildet somit die Kernfigur in diesem Blockbuster. Die Bullock gehört nicht wirklich zu meinen Lieblingsschauspielerinnen, wohl aber zu den sympathischsten. Die sonst überwiegend Komödien-erprobte Bullock hat hier eine astreine Abräumer-Rolle ans Land gezogen, bereits Oscar-prämiert ist diese Frau, für das  doch  sehr mittelmäßige THE BLIND SIDE, bei dem ich immer noch der Meinung bin, dass Sie diese Auszeichnung wohl eher wegen ihrer Popularität erhalten hat, denn im selbigen Jahr waren mindestens zwei Schauspielerinnen (nämlich Carey Mulligan und Gabourey Sidibe), die den Preis mehr verdient hätten, wenn es denn fair bei diesen Veranstaltungen zugehen würde. Wie auch immer, Bullock werden aktuell große Chancen für eine erneute Nominierung ausgerechnet, darf man aber den Buchhaltern und Kritikern glauben, wird Sie wohl gegen die glanzvolle  Cate Blanchett (wohl zu Recht) für Woody Allens neustem Film BLUE JASMINE (der Trailer ist wundervoll!) den kürzeren ziehen. Wie immer das auch ausgehen wird, die Bullock hat mich mit dieser Vorstellung zumindest jetzt auf alle Fälle  überzeugt und auch gekriegt! By The Way, ursprünglich waren für diese Rollen u.a. Robert Downey Jr. und Angelina Jolie vorgesehen.

Ja, für solche Filme ist das Kino gemacht. Der letzte tolle 3-D Film, den ich gesehen habe war LIFE OF PI. Das ist der absolut sehenswerte Nachfolger und auch einer der besten Filme des Jahres 2013, ein optisch beeindruckend und dramaturgisch intensives Erlebnis. Diesmal sag ich auch: Please believe the Hype!

9.5/10

Montag, 19. August 2013

Der Geschmack von Rost und Knochen (2012)

Und hier ist noch ein Liebesfilm, allerdings schlägt dieser einen ganz anderen Ton an als SILVER LININGS PLAYBOOK. Allein der Titel schon DER GESCHMACK VON ROST UND KNOCHEN! Würde man überhaupt keine Ahnung haben, worum es in dem Film geht, würde man wohl am ehesten auf einen Splatter-Movie tippen. Der Titel signalisiert bereits, dass dies keine leichtverdauliche Boy-Meets-Girl-Liebes Schmonzette ist und das ist schon mal das erste lobenswerte an diesem stark physisch ausgeprägten französischem Filmdrama. Worum geht’s?

Der von seiner Frau getrennt lebend und eigensinnige Ali (Matthias Schoenaerts) streift mit seinem Sohn Sam durch Frankreich. Ohne Geld und Bleibe, landen Beide bei seiner Schwester. Er verdient sich zuerst als Türsteher seinen ersten Lohn, dabei lernt er die selbstbewusste Schwertwal-Trainerin Stephanie (Marion Cotillard) kennen, die gerade von einem Typ im Club die Nase blutig geschlagen bekommen hat. Erst nach Monaten sehen sich die Beiden wieder und das Schicksal hat mittlerweile bei Stephanie gnadenlos zugeschlagen. Bei einer ihrer Vorstellungen wird sie von einem Killerwal angegriffen und verliert beide Unterschenkel. Verbittert und im Rollstuhl sitzend versucht sie ihren Alltag zu bewältigen. Und es ist ausgerechnet der gefühllose Ali, der es schafft, Sie wieder zurück ins Leben zu holen.

Zwei gegensätzliche Menschen treffen aufeinander. Ali, der sowohl als Wachmann als auch mit illegalen Kämpfen seine Kasse aufbessert ist ein Unsympathischer Zeitgenosse, emotional ziemlich kaputt und unfähig seinen Sohn rechtzeitig von der Schule abzuholen, da er sich lieber mit einer Unbekannten bei einem Quickie vergnügt. Sein Kapital ist eindeutig sein gut trainierter Körper, der zudem viel Sex ausstrahlt und sich nimmt, was es braucht. Stephanie, nach dem Arbeitsunfall depressiv und mit  Stümpfen ausgestattet, im Gegensatz zu  Ali die körperlich versehrte, für die sich schon allein ein Toilettengang als schwierig erweist, emotional aber nach und nach an sich wächst.

Regisseur Jacques Audiard, der bereits mit dem Vorgänger EIN PROPHET einen großen Erfolg hatte inszenierte diesen Liebesfilm authentisch mit allen Ecken und Kanten und schont dabei seine Zuschauer nicht. Den Unfall sehen wir zwar nicht wirklich, nur wie sie danach im Wasser driftet, diese Szene ist aber in einer sehr starken Bildersprache gelungen. Ebenso als Ali die zuerst ablehnende Stephanie zum ersten Mal nach draußen aus Ihrer Sozialwohnung ans Meer nimmt und mit ihr ins Wasser steigt, hat einen wunderschönen Augenblick inne.

Der Film bietet noch einige andere nachhaltig wundervolle Momente. Einer der schönsten, als Marion Cotillard wortlos vor dem großen Glasbecken steht und einem Schwertwal die Richtung dirigiert, das hat schon was magisches an sich. Beide Figuren profitieren in dem Film stark voneinander, bestechend ebenfalls in der Szene (und wohl auch die eindeutige Message in diesem Film), als Ali während eines Kampfes am Boden liegt und sieht, wie Stephanie mit ihren Edelstahlprothesen aus dem Auto steigt…und zeigt ihm ihren wiedergewonnen Lebenswillen und Mut vor, so dass er aufsteht und weiterkämpft. Großartig!

„Willst du ficken?“, fragt Ali einmal Stephanie…damit sie noch überhaupt weiß, ob es noch funktioniert und sich genauso ohne die fehlenden Unterschenkel anfühlt wie früher. Sie tun es und wir erinnern uns bei der allerersten Begegnung der Beiden, als Ali noch die schönen und perfekten Beine von Stephanie auffielen, jetzt hat sie keine mehr und es scheint ihn nicht sonderlich zu stören, genauso wenig wie er in einer Disco in Angesicht vor ihr eine andere für den Beischlaf  abschleppt. Er ist eine Kampf- und Fickmaschine, äußerlich unverwundbar, innerlich aber leer und ohne Gespür für Sensibilität oder Anstand. Aber es gibt Hoffnung für Ali, zum Ende hin wendet sich überraschend das Blatt und er zeigt zum ersten Mal Gefühle.

Beide Hauptdarsteller leisten wunderbare Arbeit, die fantastische Marion Cotillard wurde zudem in der letzten Award-Saison für einige wichtige Darstellerpreise nominiert. Großes Lob auch an die Special-Effekt-Macher, die es fertig brachten, Cotillards Amputation sehr lebensecht aussehen zu lassen.

Ein außergewöhnlich intensiver Film, in jeder Hinsicht sehenswert.

09/10

Samstag, 1. Juni 2013

Silver Linings (2012)

Pat (Bradley Cooper) hat acht Monate in der Psychatrischen Klinik verbracht und alles verloren, nachdem er seine Frau Nikki (Brea Bee) mit einem Kollegen unter der Dusche inflagranti erwischt und ihn daraufhin Krankenhausreif zusammengeschlagen hat. Er hat sich nicht gut unter Kontrolle, denn er leidet unter einer bipolaren Störung, das auch der Auslöser für seine Tat war. Nachdem ihn seine Mutter Dolores (Jacki Weaver) aus der Klappse rausgeholt hat, wohnt er bei seinen Eltern. Papa Pat Senior (Robert De Niro) scheint aber ebenfalls nicht ganz von Zwangsneurosen befreit zu sein. Pat versichert, wieder auf die Beine zu kommen, leider kann er aber seine (Ex-) Frau nicht vergessen und hofft auf eine neue Chance und Zukunft mit ihr. Aber dummerweise darf er durch einen Gerichtsbeschluss Nikki nicht mehr kontaktieren oder sich ihr nähern. Als er durch einen Kumpel die depressive Witwe Tiffany (Jennifer Lawrence) kennenlernt, die ihren Mann nach einem Autounfall verloren hat, machen die Beiden einen Deal: Tiffany ist bereit Pats Briefe an seine Ex-Frau heimlich weiterzuleiten, wenn er als Gegenleistung mit ihr gemeinsam für ein Tanzwettbewerb übt.

Romantische Komödien sind für viele, besonders für das männliche Kinopublikum, ein rotes Tuch. Leider auch meistens zu Recht, denn sehr viele Vertreter dieses Genres offenbaren immer die gleichen einschläfernden Erzählstränge, Charaktere ohne Ecken und Kanten, die vollbeladen mit Klischees sind und wir wissen natürlich Alle, das am Ende (ohne einen erwähnenswerten Höhepunkt zwischendrin) alles gut wird, ja gähn...schöne Grüße an dieser Stelle an Frau Heigl und Frau Aniston. Glücklicherweise gibt es aber immer wieder Mal eine Komödie, die es sich zu sehen lohnt, wie in diesem Fall SILVER LININGS (SILVER LININGS PLAYBOOK) von David O. Russell, welche sowohl bei Kritikern als auch beim Publikum Bestens ankam.

Der Film basiert auf den gleichnamigen Roman von Matthew Quick aus dem Jahr 2008, die Filmrechte haben sich damals auch gleich die nimmer satten, aber sehr erfolgreichen Weinstein-Brüder gesichert. So hat sich alles sehr gut zusammengefügt, am Allerbesten aber der Cast der Darsteller, die allesamt umwerfend agieren. Zwischen Cooper und Lawrence stimmt die Chemie, das ist schon Mal ein großer Pluspunkt. Der Film hat auch seine stärksten Momente, wenn die Beiden gemeinsam zu sehen sind, das fängt schon bei der ersten Begegnung an, wie sich besagte unverblümt über ihre Medikamente und deren Auswirkungen austauschen, was aber den restlichen Anwesenden am Essenstisch wohl doch eher peinlich ist. Sehr schön auch die Szene im Diner an einem Halloween Abend, als Tiffany Pat erzählt, dass Sie mit jedem aus dem Büro wahllos Sex hatte, um ihre Depressionen zu bekämpfen.

Ungewöhnlich für eine Komödie sind diese Titelhelden, die eben nicht perfekt sind, sondern Menschen mit Fehlern und Schwächen, das macht Sie nur sympathischer, auch wenn diese vielleicht für einige recht seltsam oder etwas zu verrückt rüberkommen mögen. Hier wird keine klassische Hollywood-Seifenoper präsentiert, das Drehbuch und die Dialoge sind ausgezeichnet geschrieben. Was dann auch gleich meine persönliche Ansicht aussagt: Mit einem Drehbuch steht oder fällt ein Film, wenn die Story nicht gut ist, rettet das den Film dann letztlich auch nicht mehr. Besonders heikel bei (Tragik)-Komödien, das schwierigste Genre überhaupt, meiner Meinung nach.

Das Schöne an SILVER LININGS sind auch die kleinen Details, das etwas Verschrobene und Eigenbrötlerische, wie z.B. Pat, der sich immer einen Müllsack überstreift, wenn er joggen geht (um mehr zu schwitzen) oder wie er den großen Literaten Hemingway beschimpft, nachdem er sein Buch "A Farewell To Arms" gelesen hat und lautstark seine Unzufriedenheit des nicht vorhandenen Happy-Ends zum Besten gibt.

Jennifer Lawrence brachte diese Rolle Ihren ersten Oscar ein, mit gerade Mal 23 Jahren gehört Sie zu den jüngsten Preisträgerinnen überhaupt. Die größte Überraschung für mich ist dann aber eher Bradley Cooper, der bisher nicht gerade als großer Schauspieler von sich Reden machte. Ja, HANGOVER mochten wir Alle, der zweite Teil war dann aber eine unterirdische Kopie des ersten Teils. Jetzt hat er mit dieser interessanten Rolle bewiesen, dass er nicht nur 'The Sexiest Man Alive 2011' ist. Robert De Niro hat auch zwei schöne Momente im Film, z.B. als er seinem Sohn gesteht, sich vielleicht in der Vergangenheit nicht genug um ihn gekümmert zu haben und letztlich glaubt, durch Football ihm wieder näher zu kommen. Die beiden sprechen nicht viel miteinander und gleichen sich aber doch sehr vom Charakter. Jacki Weaver ist eine australische Schauspielerin, die in Deutschland eher unbekannt ist und hier die wohl normalste und stabilste Person im Film verkörpert. Und schließlich ist auch Komiker und Großmaul Chris Tucker mit von der Partie, der hier überraschend sehr natürlich und nicht aufgesetzt spielt.

Was bei diesem Film vielleicht den einen oder anderen etwas stören könnte, ist der leichte (aber im Rahmen gehaltene) 'Dirty Dancing'-Touch und das für viele Amerikaner heilige Football. Das Tanzen und der Sport spielen hier in der Handlung eine nicht unwichtige Rolle, der Fokus bleibt aber bei den zwei Hauptprotagonisten bis zum Finale. Regisseur David O. Russell war nach seinem Erfolg THE FIGHTER ein persönliches Anliegen SILVER LININGS zu inszenieren, wenn man sich die Extras mitsamt Kommentare auf der DVD ansieht, weiß man auch warum. Sein Sohn leidet unter einem ähnlichen Krankheitsbild wie Pat in diesem Film. Er hat das Drehbuch auch paar Mal umgeschrieben, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war. Resultat: Wenig Kitsch, dafür eine Story mit Herz und Witz das seine Figuren ernst nimmt und sie nicht der Lächerlichkeit preisgibt, was in Komödien sonst gern gemacht wird. Trotz der ernsten Themen ist SILVER LININGS ein Unterhaltungsfilm und das schafft er auch problemlos mit einer gewissen Leichtigkeit, aber ohne oberflächlich daher zu kommen.

Am Ende wird sich Pat entscheiden müssen und er wählt den titelgebenden Silberstreifen am Horizont. Wer wissen will, wer oder was das ist, schaut sich bitte diesen Film an. Aber man ahnt es eigentlich irgendwie schon, oder?

07/10


Mittwoch, 8. Mai 2013

Mama (2013)

Mütter in Horrorfilmen, das verheißt meistens nichts Gutes. Das haben wir schon in PSYCHO gelernt, einem unerreichten Klassiker, in dem ein gestörtes Muttersöhnchen gern Fummelkleider trägt und noch lieber auf Muttis Befehl mordet. Oder in FREITAG DER 13., wo sogar die Mutter selbst ziemlich bescheuerte und sexhungrige Teenager hintereinander ins Jenseits befördert, bevor ihr Sohn (ja, der berühmte mit der Eishockeymaske) ab dem zweiten Teil das metzeln fortsetzt. Und von MUTTERTAG aus dem Jahr 1980 ganz zu Schweigen, der Film ist nach wie vor in Deutschland indiziert und wird es wohl auch bleiben. In dem aktuellen kanadischen Gruselfilm MAMA von Andres Muschietti (ursprünglich zuerst als dreiminütiger Kurzfilm konzipiert) haben wir es mit einer besonderen Sorte von Mutter zu tun, schon allein wegen Ihrer beklemmenden Erscheinung, aber nicht nur aus diesem Grund.

Der Film beginnt mit den Worten "Es war einmal...", die Eröffnungszene ist aber kein Märchen, sondern reines Familiendrama, in dem ein aus finanziellen Gründen verzweifelter Vater zuerst seine Frau erschießt und dann, nach einem Autounfall auf spiegelglatter Straße, mit seinen beiden Töchtern in eine abgelegene Waldhütte flüchtet, um sein und auch das Leben der beiden Kinder zu beenden. Als er versucht unter Tränen zuerst seine Tochter Victoria zu erschießen, taucht plötzlich eine Gestalt aus dem Hintergrund auf, die ihm das Genick bricht (einschließlich Entsorgung der Leiche ins verschneite nach Draußen)...die Mädchen bleiben verwirrt zurück. Dann macht der Film einen Zeitsprung um 5 Jahre und wir lernen seinen Bruder Lucas (Nikolaj Coster-Waldau) mitsamt Freundin Annabel (Jessica Chastain) kennen. Onkel Lucas hat in der Zwischenzeit nie aufgegeben, nach den verschollenen Mädchen zu suchen. Durch einen Suchtrupp werden diese dann schließlich in der besagten Waldhütte gefunden, die wirklich sowas von erschreckend furchteinflößend und ausgehungert aussehen, dass das schon für einen schaurigen Gänsehautmoment sorgt. Durch Dr. Dreyfuss (Daniel Kash) bekommt das Paar die Chance die Beiden in Ihre Obhut zu nehmen mitsamt neuem Zuhause, nicht allerdings ohne Hintergedanken des Psychiaters, der eine Studie über die Geschwister erstellen möchte. Und der Horror beginnt...denn Mama ist ganz schön eifersüchtig!

Ich habe bereits schon wirklich sehr viele Horrorfilme in meinem Leben gesehen, deshalb bin ich auch mit keiner zu hohen Erwartung ins Kino gegangen, obwohl der ausführende Produzent Guillermo Del Toro (PANS LABYRINTH) heißt und obwohl die derzeit (zu Recht!) schwer gehypte Jessica Chastain (ZERO DARK THIRTY) mitspielt. Sie ist in dem Film dann auch gleich absolut gegen Ihren Typ besetzt worden, nämlich als tätowierte und recht robuste Bassistin einer Punk-Rock-Band mitsamt Joan Jett ('I Love Rock'N'Roll!')-Gedächtnisfrisur. Sie wertet den Film auch deutlich auf, ihr Filmpartner Coster-Waldau ist dagegen nicht so lange wie Sie zu sehen, was aber gar nicht so verkehrt ist (ich habe ihn auch nicht sonderlich arg vermisst), da es ja in erster Linie um die 'Mutter'-Figur geht. Trotzdem hat der Film mich nicht komplett begeistern können, er ist aber auch alles andere als missglückt.

Ganz besonders fiel mir auf, das der Film sich hier und da bei anderen Klassikern bedient hat. Am stärksten bei der Szene, als Jessica Chastain mit dem Wäschekorb den Flur entlang geht und parallel im gleichen Blickfeld das Kinderzimmer mit der spielenden Lilly zu sehen ist...das scheint mir verdächtig geklaut (nämlich aus einer berühmten Szene aus Hitchcocks MARNIE). Das möchte ich hier aber nicht negativ werten, denn die 'Kopie' ist durchaus gut gelungen, wenn man dann realisiert, wem die kleine Lilly da den Ball zuwirft.
Überhaupt sind die zwei Mädchen Victoria (Megan Carpentier) und Lilly (Isabelle Nelisse) die heimlichen Stars in diesem Film, sie spielen beängstigend gut. Allein durch Ihre Blicke können diese einen regelrecht 'zusammenfahren', wie sie durch Ihr Auffinden wie schmutzige Tiere auf allen Vieren durch das Bild huschen und alles anfauchen, was Ihnen in die Quere kommt...die möchte ich Nachts nicht unbedingt begegnen wollen. Dass Beide einen Knacks in der Psyche durch diese unfreiwillige Isolation davongetragen haben, mag niemanden verwundern.
Auch war für das geschulte Auge einiges Vorhersehbar, wie z.B. das Ableben einiger Personen, zumindest habe ich jedes mal richtig gelegen, wenn ich mir dachte "Du bist der Nächste".

Was soll ich nun zu der Figur 'Mama' sagen? Ich will hier nicht verraten, wer sich hinter dieser verbirgt, man tappt auch zuerst etwas im Dunkeln. Das Geheimnis wird aber recht flugs aufgedeckt, da muss man nicht bis zum Finale warten, um zu wissen, wer sich hinter unserer 'Titelheldin' verbirgt. Aber ehrlich gesagt haben mich die zwei Mädchen mehr gegruselt als Sie, auch wenn die Hintergründe dieser als tragisch zu werten sind. Aber wenn Mama dann zum ersten Mal in voller Pracht zu sehen ist, sieht Sie für meinen Geschmack eher bizarr denn gruselig aus, auch wenn die Special Effekte zugegeben  recht ordentlich gelungen sind. Das man bei Ihr trotzdem mal zusammenzuckt, wenn diese auf der Leinwand auftaucht, hat dann aber wohl eher mit der gekonnt eingesetzten Musik und Geräuschkulisse zu tun (ein alter und gern verwendeter Trick bei Horrorfilmen), was hier durchaus prima funktioniert.
Übrigens das Interessanteste überhaupt ist, das die Figur Mama im Film von einem Mann dargestellt worden ist. Es ist der knapp zwei Meter große spanische Schauspieler Javier Botet, er hat bereits schon im Schocker REC. seine physische Präsenz eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der Mann leidet unter dem sogenannten Marfan-Syndrom, das zu außergewöhnlichen Wachstum mit besonders langen Gliedmaßen führt und mit den üblichen CGI-Effekten, die mittlerweile unumgänglich zu sein scheinen, verleiht das dem Ganzen auch eine besondere Note im Endresultat.

Interessant fand ich die Entwicklung der Annabel, die zuerst eher ablehnend und aufgezwungen der Kinder gegenüber steht, dann später zum Finale hin für diese erbarmungslos kämpft. Interessant deswegen, weil ich zuerst nicht ganz nachvollziehen konnte, warum sie so emotional reagiert, wird sie doch Anfangs im Film so dargestellt (auf der Toilette sitzend mit einem Schwangerschaftstest in der Hand), als ob sie absolut keinen Kinderwunsch hegt. Das ändert sich im Laufe der Handlung und deswegen verleiht ihr das auch eine Art emotionale Tiefe, die in solchen Filmen nicht immer zwingend vorhanden sind, das macht es dann wieder zu etwas Besonderem, finde ich. Die allermeisten Charaktere in Horrorfilmen sind austauschbare, langweilige und meistens idiotisch verhaltende Stereotypen, das wissen wir. Annabel ist nicht so und Jessica Chastain hat es wunderbar hingekriegt diese nicht lächerlich aussehen zu lassen, danke dafür.

Der Showdown am Ende hat mir dann aber leider nicht so sonderlich geschmeckt, den fand ich etwas zu effekthascherisch und, sagen wir mal, auch eine Spur zu kitschig, man mag es kaum glauben. Ich möchte das hier nicht zu sehr ausführen, ich habe so meine Theorie warum das Ende gerade so dargestellt worden ist, nur würde ich hier zu viel verraten und das wäre unfair gegenüber denen, die sich den Film noch anschauen möchten. Ob dieser Kompromiss bzw. Konflikt am Ende befriedigend ausfällt, muss jeder für sich entscheiden. Logik hat in Horrorfilmen auch nicht immer die Oberhand, so ist das nun mal.

Mir hat die erste Hälfte des Films aber persönlich viel besser gefallen. Der Horror ist oftmals am Stärksten, wenn er überwiegend im Verborgenen bleibt. Die besten Beispiele sind hierfür ROSEMARYS BABY, JAWS und auch der erste Teil von ALIEN, die allesamt zu meinen Lieblingsfilmen gehören.

Positiv aufzuwerten ist die Tatsache, das es sich hier um ein Debüt-Werk handelt. Regisseur Andres Muschietti versteht es, einem bei der Stange zu halten, die Spooky-Momente kommen wie auf Abruf, so das so gut wie nie wirkliche Langeweile aufkommt. Das Spiel mit Schatten, Dunkelheit und dem gelungenen Soundtrack tragen eine schaurig gute Atmosphäre bei, das hat Muschietti effektiv und überzeugend umgesetzt. Ach ja und den Kleiderschrank nicht zu vergessen!

Es ist zugegeben nicht einfach etwas 'Neues' in das Horrorgenre einfließen zu lassen, das sieht man wieder mal am aktuellen Trend alte Grusel-Klassiker ein 'Zeitgerechtes'-Remake zu verpassen, wie sich die verantwortlichen Produzenten so schön ausdrücken. Meistens sind diese aber gähnend langweilige 1:1 Kopien mit nur mehr Blut, Splatter und unverbrauchten Jungdarstellern, von denen man danach auch meistens nie wieder was hört. Gibt genug miese Beispiele hierfür. Ich weiss nicht, ob ich mir die Neustarts EVIL DEAD und CARRIE anschauen werde, dafür liebe ich die Originale viel zu sehr. Aber ehrlich, wann haben wir das letzte Mal etwas Neues, Originelles oder eine Art 'Aufbruch im Horror-Kino' gesehen? BLAIR WITCH PROJECT? Vielleicht. PARANORMAL ACTIVITY? Bestimmt nicht.

Unterm Strich ist MAMA ein souveränes und sehenswertes Schauder-Stück, das über weite Strecken spannend insziniert ist und seinen Reiz vor allem durch die talentierten Kinderdarsteller, der Entwicklung der Hauptprotagonistin und der beklemmenden Atmosphäre entwickelt. Also Daumen eher hoch. Außerdem fand ich die deutsche Synchronisation sehr gut, das kann man auch nicht immer freilich behaupten, oder?

07/10