Sonntag, 28. Januar 2018

Die dunkelste Stunde (2018)

„Nichts als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß“ lautet der bekannte und emotionale Satz, mit dem Winston Churchill als Kriegsminister und erklärter Faschismus-Gegner in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Das Historien-Drama schildert die Tage und Wochen von der Ernennung Churchills zum Premierminister bis zur ‚Operation Dynamo’, der Evakuierung der Truppen in Dün­kirchen, und beleuchtet, wie er gegen heftige Widerstände durchsetzt, sich nicht auf Verhandlungen und faule Kompromisse mit Hitler einzulassen, sondern sich ihm, gemeinsam mit den USA als Verbündete, entschlossen entgegenzustellen, auch um den Preis hoher Verluste.

DIE DUNKELSTE STUNDE (Darkest Hour) ist vor allem eine One-Man-Show des wundervollen Gary Oldman, der schon immer ein sehr gutes Händchen für spezielle und extreme Charakter-Rollen hatte. So spielte er in der Vergangenheit den leidgeprüften Sex Pistols-Drogenwrack-Bassisten Sid Vicious, John F. Kennedys Mörder Lee Harvey Oswald genauso genial wie Bram Stokers Dracula. Selbst unter dem dicksten Make-Up und Fatsuit vermag er noch Präsenz und Charisma zu versprühen und zeigt hier eine wahre schauspielerische Meisterleistung. Wie lange auch immer Oldman in der Maske gesessen haben muss, die Mühe hat sich auf alle Fälle für ihn ausgezahlt. Er kann sich schon mal daheim einen Platz in seiner Vitrine für den Oscar freimachen, den er todsicher Anfang März gewinnen wird. Durch seinen starken Auftritt kommen andere nennenswerte Schauspieler leider etwas zu kurz, wie beispielsweise Ben Mendelssohn als King George oder Kristin Scott Thomas, die hier seine treusorgende Frau Clementine ebenfalls sehr sehenswert und fantastisch mimt. Sie alle bieten Oldman dafür genug Raum für seine facettenreiche Performance, die er als einen Charakter mit Ecken und Kanten darstellt, der einerseits maß- und respektlos agiert, auf der anderen Seite eine Kraft ausstrahlt, die bewundernswert erscheint. Bevor er dann wieder den nächsten Wutausbruch bekommt und schön austeilt.

Ähnlich wie schon Spielbergs LINCOLN konzentriert sich hier Regisseur Joe Wright (ABBITTE) auf die nachdrücklich thematisch relevante Zeit seiner Hauptfigur. In einem Art Countdown werden hier die ausschlaggebende Tage Churchills vors Auge geführt, man sieht nur ganz wenige Kriegssequenzen, denn die Geschichte konzentriert sich in erster Linie auf die Machtstruktur, das Parlament und Churchills Privatleben. Seine teils cholerisch penible Art, die vor allem die Sekretärin verbal zu spüren bekommt, wird hier gleich zu Anfang des Films lebendig präsentiert. In den leisen Momenten sieht man dann aber auch einen Churchill, der voller Selbstzweifel mit sich und seinem heißgeliebtem Scotch hadert. Und natürlich der Zigarre in der anderen Hand.

Dramaturgisch dicht erzähltes Kammerspiel, wenn auch dank der historischen Fakten etwas vorhersehbar, vortrefflich ausgestattet, wenn auch in kühlen Farben gehalten und musikalisch packend untermalt, wenn auch Komponist seine beste Arbeit bis dato für den Film ABBITTE abgeliefert hat. Sehr gelungen und amüsant ist vor allem die Szene in der U-Bahn, als Churchill Kontakt zu den doch sehr verwunderten Bürgern sucht, die ihn dort nicht wirklich erwartet hätten. Oder wie würden Sie reagieren, wenn plötzlich morgens in der S-Bahn Frau Merkel neben Ihnen stehen würde?

Wer übrigens noch eine andere tolle Darstellung Winston Churchills  verkörpert sehen möchte, dem empfehle ich die britische Drama Serie THE CROWN.
In dieser schlüpft John Lithgow in die dankbare Rolle des bedeutendsten britischen  Staatsmannes des 20. Jahrhunderts.


08/10