„Nichts als Blut, Mühsal,
Tränen und Schweiß“ lautet der bekannte und emotionale Satz, mit dem Winston
Churchill als Kriegsminister und erklärter Faschismus-Gegner in die
Geschichtsbücher eingegangen ist. Das Historien-Drama schildert die Tage und
Wochen von der Ernennung Churchills zum Premierminister bis zur ‚Operation
Dynamo’, der Evakuierung der Truppen in Dünkirchen, und beleuchtet, wie er gegen
heftige Widerstände durchsetzt, sich nicht auf Verhandlungen und faule
Kompromisse mit Hitler einzulassen, sondern sich ihm, gemeinsam mit den USA als
Verbündete, entschlossen entgegenzustellen, auch um den Preis hoher Verluste.
DIE DUNKELSTE STUNDE (Darkest
Hour) ist vor allem eine One-Man-Show des wundervollen Gary Oldman, der schon
immer ein sehr gutes Händchen für spezielle und extreme Charakter-Rollen hatte.
So spielte er in der Vergangenheit den leidgeprüften Sex Pistols-Drogenwrack-Bassisten
Sid Vicious, John F. Kennedys Mörder Lee Harvey Oswald genauso genial wie Bram
Stokers Dracula. Selbst unter dem dicksten Make-Up und Fatsuit vermag er noch
Präsenz und Charisma zu versprühen und zeigt hier eine wahre schauspielerische Meisterleistung.
Wie lange auch immer Oldman in der Maske gesessen haben muss, die Mühe hat sich
auf alle Fälle für ihn ausgezahlt. Er kann sich schon mal daheim einen Platz in
seiner Vitrine für den Oscar freimachen, den er todsicher Anfang März gewinnen
wird. Durch seinen starken Auftritt kommen andere nennenswerte Schauspieler leider
etwas zu kurz, wie beispielsweise Ben Mendelssohn als King George oder Kristin
Scott Thomas, die hier seine treusorgende Frau Clementine ebenfalls sehr
sehenswert und fantastisch mimt. Sie alle bieten Oldman dafür genug Raum für
seine facettenreiche Performance, die er als einen Charakter mit Ecken und
Kanten darstellt, der einerseits maß- und respektlos agiert, auf der anderen
Seite eine Kraft ausstrahlt, die bewundernswert erscheint. Bevor er dann wieder
den nächsten Wutausbruch bekommt und schön austeilt.
Ähnlich wie schon Spielbergs
LINCOLN konzentriert sich hier Regisseur Joe Wright (ABBITTE) auf die
nachdrücklich thematisch relevante Zeit seiner Hauptfigur. In einem Art
Countdown werden hier die ausschlaggebende Tage Churchills vors Auge geführt, man
sieht nur ganz wenige Kriegssequenzen, denn die Geschichte konzentriert sich in
erster Linie auf die Machtstruktur, das Parlament und Churchills Privatleben. Seine
teils cholerisch penible Art, die vor allem die Sekretärin verbal zu spüren
bekommt, wird hier gleich zu Anfang des Films lebendig präsentiert. In den
leisen Momenten sieht man dann aber auch einen Churchill, der voller
Selbstzweifel mit sich und seinem heißgeliebtem Scotch hadert. Und natürlich
der Zigarre in der anderen Hand.
Dramaturgisch dicht erzähltes
Kammerspiel, wenn auch dank der historischen Fakten etwas vorhersehbar, vortrefflich
ausgestattet, wenn auch in kühlen Farben gehalten und musikalisch packend untermalt,
wenn auch Komponist seine beste Arbeit bis dato für den Film ABBITTE
abgeliefert hat. Sehr gelungen und amüsant ist vor allem die Szene in der
U-Bahn, als Churchill Kontakt zu den doch sehr verwunderten Bürgern sucht, die
ihn dort nicht wirklich erwartet hätten. Oder wie würden Sie reagieren, wenn
plötzlich morgens in der S-Bahn Frau Merkel neben Ihnen stehen würde?
Wer übrigens noch eine andere
tolle Darstellung Winston Churchills verkörpert sehen möchte, dem empfehle ich die
britische Drama Serie THE CROWN.
In dieser schlüpft John
Lithgow in die dankbare Rolle des bedeutendsten britischen Staatsmannes des 20. Jahrhunderts.
08/10