Freitag, 28. Februar 2014

Dallas Buyers Club (2014)

Der homophobe Elektriker und leidenschaftliche Rodeo-Reiter Ron Woodroof (Matthew McConaughey) kriegt in Folge eines Arbeitsunfalls bei einem beiläufigen Bluttest mitgeteilt, dass er sich mit dem HIV-Virus infiziert hat. Die Ärzte Dr. Eve Staks (Jennifer Garner) und Dr. Sevard (David O’Hare) geben ihm nur noch 30 Tage zu leben und verschreiben ihm das nicht ungefährliche Medikament AZT. Er kann sein Gesundheitsproblem keinesfalls akzeptieren, denn schließlich ist in den noch ungeklärten und unsicheren 80ern HIV bzw. AIDS eine „Schwulenseuche“, die Heterosexuelle angeblich nicht betrifft. Mit diesem naiven Denken reist Woodroof nach Mexiko, wo er von einem Arzt ohne Zulassung Medikamente erhält, die ihm helfen sollen, seinen bevorstehenden Tod noch etwas heraus zu zögern. Diese stärken ihn tatsächlich und sein Zustand bessert sich einigermaßen wieder. Er schmuggelt die Meds als vermeintlicher Priester nach Dallas, wo er zusammen mit dem Transsexuellen Rayon (Jared Leto) den besagten DALLAS BUYERS CLUB gründet (gegen eine Mitgliedschaftsgebühr von 400 Dollar) allerdings weniger aus Mitleid zu den Infizierten als mehr um seinen Lebensunterhalt zu sichern, aber die US-Gesundheitsbehörde ist ihm schon nah an den Fersen und machen Woodroof und Konsorten das Leben nicht unbedingt einfacher. Aber er findet alternative Wege, um an das begehrte Heilmittel heran zu kommen. Sowohl die Ärztin Staks als auch Woodroof erfahren hier im Laufe der Handlung einen entscheidenden Wandel und vor allem eine kooperative Erläuterung, die sie Beide bis zum Finale prägen wird.

Der kanadische Regisseur Jean-Marc Vallée ist für mich ein eher Unbekannter, ich weiß lediglich, dass er vor 4 Jahren das Kostüm-Drama THE YOUNG VICTORIA mit Emily Blunt in der Hauptrolle verfilmt hat. Der Stoff aus dem konventionellen DALLAS BUYERS CLUB gestrickt ist, basiert auf wahre Tatsachen und zeigt einen unbequemen Helden und Kämpfer in der Titelrolle, der sich gegen Pharmakonzerne und den Medizinern stellt und sein eigenes Ding auf halblegaler Weise startet. Einfach um zu überleben, so lang es eben geht mit der tödlichen Infektion. Einen Schönheitsfehler hat der Film allerdings, denn angeblich war der wahre Ron Woodroof bisexuell veranlagt. Hier im Film wird er zuerst als Kleinkarierter dargestellt, seine Einstellung ändert sich zwar im Laufe der Handlung, er bleibt auf der Leinwand aber strikt hetero. Die zarte Annährung zwischen Woodroof und Dr. Saks und vor allem das Hinschmeißen ihrer beruflichen Anstellung wegen ihm empfand ich auch als etwas unglaubwürdig, aber egal. Der Film ist allerdings auch nicht ganz von üblichen Klischees befreit, die heutzutage noch einige engstirnige Idioten mit sich tragen, das wird sich wohl nie ändern, leider.

Meine Lieblingsszene ist die im Supermarkt, als McConaughey und Leto gemeinsam einkaufen gehen und McConaughey ihm erklärt, was essbar und gesundheitlich förderlich ist als schließlich ein alter Freund des geläuterten Machos auftaucht und blöde Sprüche von sich gibt, die er sich nicht gefallen lässt . Ein ziemlich starker Moment für diesen Film und vor allem für mehr Toleranz! Mir persönlich hat die erste Hälfte des Films besser gefallen als die 2te, aber unterm Strich erweist sich DALLAS BUYERS CLUB als überaus sehenswert. McConaughey Wandel vom Schwulenhasser zum Aktivisten ist einprägsam gelungen, der zudem auch Ausgrenzung von Freunden und Bekannten über sich ergehen lassen muss.

Klar könnte man es sich einfach machen und behaupten, solche Filme sind eh nur für irgendwelche Filmpreise taktisch überlegt und irgendwie kalkulierbar gestelzt. In der Tat sind hier einige bereits eindeutige Merkmale sichtbar, die dafür sprechen, wie z.B. die kontroverse Thematik. Homosexualität. Die Transformation der Schauspieler. Die abgehungerten Körper. Mut zur Hässlichkeit. Ja, das alles ist bereits bekannt und eigentlich immer ein sicherer Indikator für mindestens eine Nominierung. Aber der Film hat ein erfreuliches Faktum: Er verfällt nicht in Sentimentalität. Dafür besitzt die Hauptfigur auch zu viele Ecken und Kanten, kein Softie, er ist ein Macho und Kämpfer und trotzdem bleibt der Film für den Zuschauer ‚konsumierbar‘. Auch wenn man weiß, das der Titelheld ein Todgeweihter ist und eigentlich zu dieser Zeit keine große Chancen hatte, der zudem auch alles vögelte (ungeschützt natürlich) und reichlich harte Drogen konsumierte.

Jennifer Garner gehört zu diesen Erscheinungen, bei der ich mir auch nicht ganz sicher bin, ob Sie nun wirklich schauspielern kann oder nicht. Sie ist einer dieser Frauen, die zwar hübsch anzuschauen sind, aber irgendwie fehlt ihr die Ausstrahlung, sie wirkt auf der Leinwand seltsam ‚blass‘. Ihre Durchbruch-Serie ALIAS habe ich aber nie gesehen, vielleicht sollte ich es mal nachholen. 

Perfekt besetzt in diesem Werk ist dagegen hier Jared Leto, der sowohl als Musiker (30 Seconds To Mars) als auch als Schauspieler große Erfolge feiert. Man mag von seiner Musik halten was man will, ich persönlich finde seine Band nicht besonders prickelnd (ich schätze der Großteil seiner Fans sind auch eher weiblich und Mitte 20), als Schauspieler macht ihm aber keiner etwas vor. Schon REQUIEM FOR A DREAM gesehen? Falls nicht, unbedingt nachholen! Da spielt Leto einen Drogenabhängigen und das sehr überzeugend, genau wie der Rest vom großartigen Cast. Diese Rolle nun als sensiblen Aids-Kranken Rayon, die Transe mit dem Herz am rechten Fleck, die gern Marc Bolan-Poster anhimmelt, wird ihm seinen größten schauspielerischen Erfolg bescheren, denn Leto gilt als absolut sicherer Oscargewinner als bester Nebendarsteller dieses Jahr. Leto hat ALLE Darstellerpreise zuvor gewonnen, die es überhaupt zu gewinnen gibt. So sicher wie das Amen in der Kirche.

Und wer hätte gedacht, das der attraktive Sunnyboy Matthew McConaughey im Stande ist, eine so derart starke und furiose Leistung abliefern zu können, hatte er sich doch früher gern eher mehr in seichten Komödien ‚verirrt‘, mit Jennifer Lopez oder Sarah Jessica Parker an seiner Seite, argh! In einem Interview habe ich gelesen (zufällig beim Zahnarzt langweilend während der Wartezeit), das er das wohl nur angenommen hat, da diese Parts „saugut“ bezahlt werden. Kann man irgendwie nachvollziehen, oder? Irgendwann greift doch jeder noch so fabelhafte Schauspieler Rollentechnisch ins Klo, das sollte man auch nicht zu sehr überbewerten, denn jetzt zeigt McConaughey, was für ein Potential in ihm wirklich steckt. Der Mann hat einen guten Lauf, mit seinen letzten Rollen hat er ein glückliches Händchen bewiesen. Er sieht in diesem Film wirklich derart erschreckend ausgehungert aus, dass man ihm seine glaubwürdige Performance absolut blind abnimmt. Angeblich satte 25 Kg hat er sich  für diese Rolle runter gehungert, die sicherlich in seiner Karriere die ‚Performance of A Lifetime‘ markieren wird, genau wie bei seinem Co-Darsteller. Er kann sich daheim schon mal einen Ehrenplatz für den begehrtesten aller Goldjungen aussuchen, den er bei den 86. Academy Awards gewinnen wird. Er wird den nörgelnden Kritikern den ausgestreckten Mittelfinger zeigen und das zu Recht! Aber machen wir uns nichts vor: Homophobie ist trauriger weise immer noch gegenwärtig, wie man aktuell an den absolut irrsinnigen Gesetzen, egal ob in den USA, Russland oder Uganda sehen kann. Ich mache keinen Hehl draus, dass ich schwul bin und offen dazu stehe. Ich habe auch nie verstanden, wie man einen Menschen deswegen verurteilt, egal ob aus religiösen oder anderen vorurteilsvollen Gründen, Sexualität ist Privatsache und geht niemanden etwas an. Wohl aber HIV geht JEDEN Menschen etwas an, egal ob hetero, homo, bi oder transgender.

08/10

Sonntag, 23. Februar 2014

American Hustle (2014)

Das ist er, der MUST-SEE Film zur aktuellen Award-Saison und OSCAR-Favorit mit satten 10 Nominierungen und den begehrten Big-Five (Bester Film, Regie, Hauptdarsteller, Hauptdarstellerin und Drehbuch). Die Big-5 Auszeichnungen haben nur drei Filme in der bisherigen Oscar Geschichte erhalten: beginnend 1935 mit ES GESCHAH IN EINER NACHT, 1976 EINER FLOG ÜBER’S KUCKUCKSNEST und schließlich 1992 DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER. Alles wundervolle und grandiose filmische Meisterwerke, unbestritten, zwei davon sind sogar meine persönlichen Lieblingsfilme Aller Zeiten, nämlich KUCKUCKSNEST (#2) und LÄMMER (#1). Aber zu diesen wird sich AMERICAN HUSTLE ganz sicher nicht einreihen. Allerorts hochgelobt wird zwar das neueste Werk von David O. Russell, vom ‚Kultfilm‘ ist sogar die Rede, mit reichlich bekannten Stars gespickt. Dann ist dieser auch noch in Deutschland am meinen Geburtstag gestartet, ob das wohl ein gutes Omen ist? Na gut, ich schreibe es gleich vorweg: AMERICAN HUSTLE ist kein schlechter Film, aber richtig super gefallen hat er mir nicht. Da bin ich wohl mit zu hohen Erwartungen ins Kino gegangen. Der Oscar-Buzz erweist sich eben manchmal als doch nicht so recht einladend und befriedigend. Worum geht’s?

Der Trickbetrüger Irving Rosenfeld (Christian Bale) und seine Geliebte Sydney Prosser (Amy Adams)  führen Betrugsgeschäfte durch, bis sie eines Tages vom FBI-Agenten Richie DiMaso (Bradley Cooper) überführt und gezwungen werden mit ihm zusammen zu arbeiten, um andere Gauner dingfest zumachen und um mildernde Umstände zu bekommen. Ins Visier derer fällt auch der einflussreiche Politiker Mayor Carmie Polito (Jeremy Renner), dem Bestechlichkeit nachgewiesen werden soll. Das lockt auch die Mafia mitsamt dem Unterwelt-Boss Victor Tellegio (Robert De Niro) auf den Plan, der mit einem dubiosen Einbürgerungsgeschäft eines vorgetäuschten wohlhabenden Scheichs seitens Rosenfeld und des FBI Geld scheffeln will, fängt die Tarn-Fassade langsam an zu bröckeln. Letztlich gibt es da aber noch Rosenfelds Frau Rosalyn (wunderbar: Jennifer Lawrence) die hier zu viel ausplaudert und so einiges bewegt, was nicht unbedingt allen der beteiligten Protagonisten schmeckt und zum erhofften Happy-End führen wird.

Die Geschichte liest sich schon mal gar nicht so schlecht und durchaus raffiniert, hat aber so ihre Schwächen und verliert den Reiz relativ flink. Einer der besten Szenen sehen wir dann gleich ganz zu Anfang, als sich der etwas zu übergewichtige Christian Bale mühevoll seine falschen Haare aufklebt: „Ein gelungener Auftritt ist das Wichtigste!“, sagt er. Was aber folgt sind dann viele, sehr viele Dialoge und etwas Fadheit zwischendurch. Die Spannung spürte ich erst wieder beim Auftritt von Robert De Niro und dann kurz noch vor dem Finale. Der Versuch, den Film mit den Attributen Korruption, Geldgier, Eifersucht, Verrat, Neid, Liebe und was wirklich Falsch oder Echt ist zu füllen gefällt bedingt, aber nicht vollkommen, auch wenn mir klar ist, dass dieser bewusst damit spielen will. Meistens wird es aber erst aufregend, wenn Jennifer Lawrence auf der Bildfläche erscheint, die hier etwas ‚Leben‘ in das Ganze einhaucht und der ich hier den Oscar sogar noch mehr gönnen würde, als letztes Jahr für SILVER LININGS PLAYBOOK (ebenfalls ein David O’Russell Film).

Daumen hoch dagegen für die ideale Ausstattung und die Kostüme, alles sieht hier so schön/scheußlich aus, wie es eben in den knalligen und geschmacksfreien 70ern üblich war, da haben die Verantwortlichen sehr gute Arbeit geleistet. Dramaturgisch gesehen ist der Film allerdings eine Enttäuschung. Das Drehbuch ist zwar gut, geht aber nicht in die Tiefe und ist atmosphärisch eher dürftig. Am Ende schließt sich erzähltechnisch zwar der Kreis, aber das hat mich dann nach 138 Minuten auch nicht mehr wirklich umgestimmt. Prächtig dagegen der gekonnt eingesetzte Soundtrack, hier werden sowohl Duke Ellington, Donna Summer als auch Paul McCartney bzw. Wings geehrt und ins Geschehen gekonnt beifügt.

AMERICAN HUSTLE ist in erster Linie, wie bei den allermeisten David O’Russells Werken ein Schauspieler-Film, das auf dem Kinoplakat sehr schick ausschaut und im Abspann wirken alle Beteiligten prima besetzt, die Charaktere versprechen zudem auch reichlich Originalität und Erlebnisreichtum. Aber die Wahrheit ist, dass einzig allein Jennifer Lawrence hier einen wirklich bleibenden Eindruck am Ende hinterlässt. Sie spielt eine Ehefrau und tickende Zeitbombe und sowas wie eine ‚echte‘ Person, mit der man auch mitfühlen- und fiebern kann. Ich wette, diese Rolle hat ihr O’Russell persönlich auf den Leib geschrieben. Christian Bale, den ich sonst sehr verehre, hat mir hier als Irving Rosenfeld nicht so zugesagt, auch wenn er sich einige Kilos für diese Rolle angefuttert hat, seine Performance hat mich stellenweise sogar richtig gelangweilt, obwohl ich mir bewusst bin, dass sein Spiel zum Film bestmöglich passt, hätte ich mir aber lieber einen anderen Schauspieler für diese Rolle gewünscht. Amy Adams, mit den wunderschönen großen Augen,  ist eine Schauspielerin, die in einigen Filmen richtig gut agiert (THE MASTER) und in anderen mir einfach auf die Nerven geht (JULIE & JULIA). Hier sieht sie zwar in ihren verschiedenen Kleidern immer sagenhaft gut aus, ihr Spiel hat mich aber wie bei Bale eher kalt gelassen, wobei ich Sie einen Tick überzeugender fand als Bale. Die Oscar Nominierungen als beste Hauptdarsteller dieses Jahr für die Beiden sind eindeutig übertrieben und nicht wirklich gerechtfertigt. Da hatten die sehr guten Leistungen letztes Jahr von Tom Hanks in CAPTAIN PHILLIPS und die wunderbare Emma Thompson in SAVING MR. BANKS das große Nachsehen, sehr schade. Sogar  der extrem kleine Auftritt von Robert De Niro als Mafiosi  Victor Tellegio war hier viel beeindruckender und nachhaltiger, als das gesamte Spiel von Bale/Adams, meiner Meinung nach. Bradley Cooper als FBI-Agent mochte ich aber durchaus dann wieder sehr gern sehen (sehr schön die Szene, als er zu Hause mit Lockenwicklern angerufen wird, mitsamt seiner lautstarken Mutter im Hintergrund oder der Ausraster vor seinem Chef), er hat hier neben Lawrence mit die besten Dialoge im gesamten Film. Alle Darsteller haben zuvor schon mal in einem David O’Russell Film mitgewirkt und manchmal ist eben eine ‚Best-Of‘-Fassung nicht die Allerbeste Wahl.
Mich hat AMERICAN HUSTLE unterm Strich nicht wirklich überzeugt, geschweige denn berührt, für mich bleibt THE FIGHTER der beste Film in David O‘ Russells Schaffen bis dato. Warum diese Gaunerkömodie so beliebt geworden ist, verstehe ich nicht ganz, da gab es im letzten Kinojahr andere und viel beeindruckende Beiträge, finde ich. Leider wirkt AMERICAN HUSTLE auch etwas zu sehr selbstverliebt, was mir nur noch mehr übel aufgestoßen ist. Irgendwo habe ich auch gelesen, das der Film einen ‚schrägen‘ Humor besitze. Sorry, aber das stimmt nun wirklich nicht. Als schräg würde ich eher die Werke von Wes Anderson oder Jim Jarmusch bezeichnen. Vielleicht ändere ich meine Meinung und Wertung beim wiederholten Anschauen, wer weiß. Aber eines bin ich mir sicher: Wer ein spätes Meisterwerk sehen will, der die 70er Jahre grandios und bemerkenswert in allen möglichen Blickwinkeln auffängt, der sollte sich unbedingt das hinreißend reizvolle BOOGIE NIGHTS aus dem Jahr 1997 von Paul Thomas Anderson anschauen. AMERICAN HUSTLE wirkte auf mich dagegen wie gefälliger Sex ohne einen bedeutsamen Höhepunkt. Vorerst wirklich gut gemeinte:

06/10
(ohne Lawrence wären es 05/10 geworden).

Sonntag, 16. Februar 2014

The Wolf Of Wall Street (2014)

Geld, Koks und Nutten. Klingt nach Bushido? Ja, aber wenn man das neue Werk von Altmeister Martin Scorsese in drei knappen Wörtern beschreiben will, dann würde man wohl auch am ehesten auf den beschränkten Wortschatz des Skandalrappers zurückgreifen, denn davon gibt es in dieser fast 3-stündigen Orgie mehr als genug zu sehen. Denn alles muss im Überfluss vorhanden sein! Wer hier ein astreines Drama über die bösen Spekulanten an der Börse von Scorsese erwartet hat, wird gnadenlos enttäuscht, denn der Film ist von Anfang an auf Komödie und Provokation programmiert und das macht er auch verdammt gut und für meinen Geschmack auch sehr sehenswert.

Die Geschichte dreht sich über den Auf- und Abstieg des New Yorkers Jordan Belfort (Leonardo DiCaprio) Ende der 80er, ein Aktienhändler und Betrüger der skrupellos ahnungslose Anleger am anderen Ende der Telefonleitung verarscht und satte Gewinne verspricht, letztlich aber nur egoistisch handelt um seine Geldbörse fett zu füllen um in Saus und Braus zu leben. Wertpapiere am laufenden Band vertickern oder besser gesagt: Scheiße als Geld verkaufen und sich gut gehen lassen. Diesen Belfort gibt es wirklich, der Film basiert auch auf seinen Memoiren. Belfort hat seine Strafe (wenn auch nur lächerlich kurz) abgesessen und ist jetzt eine Art Motivationstrainer, für was auch immer. Für die Großleinwand ist seine Geschichte übrigens von Terrence Winter adaptiert, der war schon als Drehbuchautor für bahnbrechende Serien wie THE SOPRANOS oder BROADWALK EMPIRE zuständig.

Der Film schert sich einen Dreck um Moral und Anstand. Es geht um das schnelle Geld, die ‚Blödheit‘ der Anleger, die sich über den Tisch ziehen lassen und reichlich viel Hedonismus. Die Entscheidung, den Stoff so aufleben zu lassen ist gut gewählt, denn 1. Das Alles hat sich wohl tatsächlich mehr oder weniger damals so abgespielt und 2. Der Film langweilt trotz Überlänge nicht. Außerdem bezieht sich die Geschichte noch lang vor der Finanzkrise im Jahr 2007. Wer was Ernstes über diese Thematik sehen will, der kann sich das prominent besetzte Drama DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL von 2011 oder die sehenswerte und Oscar prämierte Dokumentation INSIDE JOB  aus dem Jahr 2010 anschauen.
In THE WOLF OF WALL STREET sehen wir teils sehr komische und seltsame Sachen auf der Leinwand, wie z.B. ein sinnloses werfen in der Mittagspause von Kleinwüchsigen auf eine Zielscheibe, es wird oft obszön geflucht, viele Hetero- und eine Homo Orgie, immer wieder Titten natürlich, versuchte Bestechungen an FBI-Agenten, es wird Kokain in alle möglichen Körperöffnungen geblasen. Geilheit und Exzesse ohne Ende und selbstverständlich viele Dollar-Scheine, das es einem schwindelig wird, denn: „Kohle ist die geilste Droge überhaupt!“. Drogenkonsum von einer verbotenen Pille namens „Ludes“, die es heute gar nicht mehr gibt, die DiCaprio und Jonah Hill in einer urkomischen und gelungenen Szene kriechend und lähmend auf dem Boden ihrem Schicksal überlässt, das schaut sehr bizarr und ulkig aus.

Matthew McConaughey, der letztes Jahr ein sehr gutes Händchen für interessante und prestigeträchtige Rollen bewiesen hat, sagt hier in einem Kurzauftritt auch unverblümt: „Kokain und Nutten sind der wesentlichste Schlüssel zum Erfolg und nur so könnte man diesen gottverdammten Job erledigen!“. Jawohl, täglich Koks konsumieren und wenn gerade keine Nutte zu Verfügung steht, einfach mehrmals am Tag masturbieren, so heißt die Wunderformel. Jonah Hill, der hier für seine Rolle als bester Nebendarsteller für den Oscar nominiert ist, macht seinen Job als DiCaprios Geschäftspartner Donnie auch sehr gut und durchweg unterhaltsam. In Nebenrollen sind ebenfalls Jean Dujardin (THE ARTIST) als Schweizer Bankier und Kyle Chandler als unbestechlicher FBI-Agent zu sehen. Neu und unbekannt für mich ist dagegen die sehr attraktive Frau an DiCaprio Seite Naomi, gespielt von der australischen Jung-Schauspielerin Margot Robbie. Die sollten wir uns vormerken, ich schätze von ihr kommt noch mehr zukünftig.

Ich möchte hier noch eine Lanze für Leonardo DiCaprio brechen. Von vielen immer noch belächelt als ewiger TITANIC-Milchbubi mit Babyface und Teenie-Idol, hat er wie kaum ein anderer die letzten Jahre einen dermaßen guten Riecher und Lauf für beachtliche Rollen hingelegt und ich möchte mich auch soweit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass er aktuell zu den besten Charakterdarstellern in Hollywood gehört. Sicherlich hat Scorsese auch damit was zu tun, die Beiden haben schon fünf abendfüllende Spielfilme miteinander gedreht. Aber auch INCEPTION, ZEITEN DES AUFRUHRS oder DJANGO UNCHAINED sind großartig mit ihm in der Hauptrolle. Wer weiß, vielleicht reicht’s ja diesmal für den Oscar als Kotzbrocken Jordan Belfort, wir werden sehen.
Aber zurück zum Wesentlichen. Man hat ständig das Gefühl, das Scorsese seine Figuren nicht wirklich ernst nimmt und sie gnadenlos ihren Trieben, der Bösartigkeit und der ständigen Gier nach more! more! more! einfach agieren lässt um sie letztlich ihrer eigenen Absurdität zu entlarven und das mit voller Absicht. Sieht aus wie Slapstick und ich sehe Scorsese hinter der Kamera mit einem Grinsen im Gesicht. Ehrlich, so ein zynisches und versautes Werk von ihm auf seine alten Tage habe ich nicht unbedingt erwartet, um so überraschter war ich dann nach Verlassen des Kinos.

Martin Scorsese, dieses Genie, das uns so zeitlose Meisterwerke wie TAXI DRIVER, WIE EIN WILDER STIER oder GOODFELLAS beschert hat, hat’s immer noch drauf. Und er hat in DiCaprio seinen neuen Robert De Niro gefunden.
Wenig oder kaum Drama, dafür bunter, ordinärer und kompromissloser rabenschwarzer Humor ohne Scham bis zum Abwinken. Ein frecher und bewusst überdrehter Film, der wirkt, wie auf Speed. Ich habe mich jedenfalls bestens amüsiert.

 09/10