Der kanadische Regisseur Jean-Marc Vallée ist für mich ein eher Unbekannter, ich weiß lediglich, dass er vor 4 Jahren das Kostüm-Drama THE YOUNG VICTORIA mit Emily Blunt in der Hauptrolle verfilmt hat. Der Stoff aus dem konventionellen DALLAS BUYERS CLUB gestrickt ist, basiert auf wahre Tatsachen und zeigt einen unbequemen Helden und Kämpfer in der Titelrolle, der sich gegen Pharmakonzerne und den Medizinern stellt und sein eigenes Ding auf halblegaler Weise startet. Einfach um zu überleben, so lang es eben geht mit der tödlichen Infektion. Einen Schönheitsfehler hat der Film allerdings, denn angeblich war der wahre Ron Woodroof bisexuell veranlagt. Hier im Film wird er zuerst als Kleinkarierter dargestellt, seine Einstellung ändert sich zwar im Laufe der Handlung, er bleibt auf der Leinwand aber strikt hetero. Die zarte Annährung zwischen Woodroof und Dr. Saks und vor allem das Hinschmeißen ihrer beruflichen Anstellung wegen ihm empfand ich auch als etwas unglaubwürdig, aber egal. Der Film ist allerdings auch nicht ganz von üblichen Klischees befreit, die heutzutage noch einige engstirnige Idioten mit sich tragen, das wird sich wohl nie ändern, leider.
Meine Lieblingsszene ist die im Supermarkt, als McConaughey und Leto gemeinsam einkaufen gehen und McConaughey ihm erklärt, was essbar und gesundheitlich förderlich ist als schließlich ein alter Freund des geläuterten Machos auftaucht und blöde Sprüche von sich gibt, die er sich nicht gefallen lässt . Ein ziemlich starker Moment für diesen Film und vor allem für mehr Toleranz! Mir persönlich hat die erste Hälfte des Films besser gefallen als die 2te, aber unterm Strich erweist sich DALLAS BUYERS CLUB als überaus sehenswert. McConaughey Wandel vom Schwulenhasser zum Aktivisten ist einprägsam gelungen, der zudem auch Ausgrenzung von Freunden und Bekannten über sich ergehen lassen muss.
Klar könnte man es sich einfach machen und behaupten, solche Filme sind eh nur für irgendwelche Filmpreise taktisch überlegt und irgendwie kalkulierbar gestelzt. In der Tat sind hier einige bereits eindeutige Merkmale sichtbar, die dafür sprechen, wie z.B. die kontroverse Thematik. Homosexualität. Die Transformation der Schauspieler. Die abgehungerten Körper. Mut zur Hässlichkeit. Ja, das alles ist bereits bekannt und eigentlich immer ein sicherer Indikator für mindestens eine Nominierung. Aber der Film hat ein erfreuliches Faktum: Er verfällt nicht in Sentimentalität. Dafür besitzt die Hauptfigur auch zu viele Ecken und Kanten, kein Softie, er ist ein Macho und Kämpfer und trotzdem bleibt der Film für den Zuschauer ‚konsumierbar‘. Auch wenn man weiß, das der Titelheld ein Todgeweihter ist und eigentlich zu dieser Zeit keine große Chancen hatte, der zudem auch alles vögelte (ungeschützt natürlich) und reichlich harte Drogen konsumierte.
Jennifer Garner gehört zu diesen Erscheinungen, bei der ich mir auch nicht ganz sicher bin, ob Sie nun wirklich schauspielern kann oder nicht. Sie ist einer dieser Frauen, die zwar hübsch anzuschauen sind, aber irgendwie fehlt ihr die Ausstrahlung, sie wirkt auf der Leinwand seltsam ‚blass‘. Ihre Durchbruch-Serie ALIAS habe ich aber nie gesehen, vielleicht sollte ich es mal nachholen.
Perfekt besetzt in diesem Werk ist dagegen hier Jared Leto, der sowohl als Musiker (30 Seconds To Mars) als auch als Schauspieler große Erfolge feiert. Man mag von seiner Musik halten was man will, ich persönlich finde seine Band nicht besonders prickelnd (ich schätze der Großteil seiner Fans sind auch eher weiblich und Mitte 20), als Schauspieler macht ihm aber keiner etwas vor. Schon REQUIEM FOR A DREAM gesehen? Falls nicht, unbedingt nachholen! Da spielt Leto einen Drogenabhängigen und das sehr überzeugend, genau wie der Rest vom großartigen Cast. Diese Rolle nun als sensiblen Aids-Kranken Rayon, die Transe mit dem Herz am rechten Fleck, die gern Marc Bolan-Poster anhimmelt, wird ihm seinen größten schauspielerischen Erfolg bescheren, denn Leto gilt als absolut sicherer Oscargewinner als bester Nebendarsteller dieses Jahr. Leto hat ALLE Darstellerpreise zuvor gewonnen, die es überhaupt zu gewinnen gibt. So sicher wie das Amen in der Kirche.
Und wer hätte gedacht, das der attraktive Sunnyboy Matthew McConaughey
im Stande ist, eine so derart starke und furiose Leistung abliefern zu können,
hatte er sich doch früher gern eher mehr in seichten Komödien ‚verirrt‘, mit
Jennifer Lopez oder Sarah Jessica Parker an seiner Seite, argh! In einem
Interview habe ich gelesen (zufällig beim Zahnarzt langweilend während der Wartezeit),
das er das wohl nur angenommen hat, da diese Parts „saugut“ bezahlt werden.
Kann man irgendwie nachvollziehen, oder? Irgendwann greift doch jeder noch so
fabelhafte Schauspieler Rollentechnisch ins Klo, das sollte man auch nicht zu sehr
überbewerten, denn jetzt zeigt McConaughey, was für ein Potential in ihm
wirklich steckt. Der Mann hat einen guten Lauf, mit seinen letzten Rollen hat
er ein glückliches Händchen bewiesen. Er sieht in diesem Film wirklich derart
erschreckend ausgehungert aus, dass man ihm seine glaubwürdige Performance absolut
blind abnimmt. Angeblich satte 25 Kg hat er sich für diese Rolle runter gehungert, die sicherlich
in seiner Karriere die ‚Performance of A Lifetime‘ markieren wird, genau wie
bei seinem Co-Darsteller. Er kann sich daheim schon mal einen Ehrenplatz für den
begehrtesten aller Goldjungen aussuchen, den er bei den 86. Academy Awards gewinnen
wird. Er wird den nörgelnden Kritikern den ausgestreckten Mittelfinger zeigen
und das zu Recht! Aber machen wir uns nichts vor: Homophobie ist trauriger
weise immer noch gegenwärtig, wie man aktuell an den absolut irrsinnigen Gesetzen,
egal ob in den USA, Russland oder Uganda sehen kann. Ich mache keinen Hehl
draus, dass ich schwul bin und offen dazu stehe. Ich habe auch nie verstanden,
wie man einen Menschen deswegen verurteilt, egal ob aus religiösen oder anderen
vorurteilsvollen Gründen, Sexualität ist Privatsache und geht niemanden etwas an. Wohl
aber HIV geht JEDEN Menschen etwas an, egal ob hetero, homo, bi oder transgender.
08/10