Samstag, 30. November 2013

Blue Jasmine (2013)

Mein liebster und zugleich produktivster Schwerenöter Woody Allen hat wieder einen Film gemacht, wie fast jedes Jahr eigentlich. Sein letztes, nahezu märchenhaftes Werk MIDNIGHT IN PARIS (2011) war bis dato sogar sein erfolgreichster, gemessen zumindest an den Zuschauerzahlen (plus als Krönung den Oscar für das beste Originaldrehbuch). Sein aktueller Beitrag heißt BLUE JASMINE, ob dieser allerdings bei den anstehenden Preisverleihungen eine große und weitreichend tragende Rolle spielen wird, bezweifle ich etwas, wohl aber in einer ganz entscheidenden Hauptkategorie wird er ohne Frage dominieren, aber dazu gleich mehr. Liest sich, als hätte der Film mir nicht sonderlich gefallen, aber genau das Gegenteil ist der Fall.

Jasmine (Cate Blanchett) sitzt im Flieger, natürlich Business-Class, unterwegs von New York nach San Francisco zu ihrer doch etwas einfach gestrickten Adoptiv-Schwester Ginger (Sally Hawkins). Sie hat alles verloren, ihren Mann Hal (Alec Baldwin), der sie mehrfach betrogen hat und vor allem das ganze heißgeliebte Vermögen. Pleite versucht sie wieder Fuß zu fassen, doch durch ihren starken Alkoholkonsum und der Psychopharmaka treibt sie sich immer mehr in den Schlamassel, selbst der ungeliebte und schamerfüllte Job in der Zahnarztpraxis gerät zum Fiasko (was allerdings nicht unbedingt zwingend an ihrem Fehlverhalten liegt) und ihr Sohn will ebenfalls nichts mehr ihr zu tun haben. Doch dann lernt sie unvorbereitet auf einer Party den charmanten und wohlhabenden Dwight Westlake (Peter Sarsgaard) kennen und sie schöpft wieder Hoffnung, in ihre alte Rolle als verwöhnte und prollige Upper-Class Lady aufzusteigen. Gibt’s nun doch noch ein Happy End für Jasmine?

Jasmine heißt eigentlich in Wirklichkeit Jeannette und da beginnt schon das trügerische Lügengespinst, denn sie findet Jasmine klingt einfach harmonischer und will nur noch mit diesem Vornamen angesprochen werden. Sie scheint ihre Umwelt auch nicht richtig reflektieren zu können, sehr schön dargestellt gleich in der ersten Szene, als sie im Flugzeug ihre ganze Lebensgeschichte einer Platznachbarin (oder sagen wir mal Opfer) erzählt, sie plappert einfach drauf los und kommt zu keinem Ende.
Es prallen zwei Welten aufeinander, als sich Jasmine und Ginger das erste Mal im Film begegnen, wie Feuer und Wasser sind die Beiden. Jasmine, die Alltagsfremde, die vor ihrem Niedergang zu den oberen Zehntausend in New York gehörte und bekannt war für ihre köstlichen Dinnerpartys, stets elegant gekleidet, die nie richtig gearbeitet hat und nun den Wunsch äußert, einen Online-Kurs für Innenarchitektur absolvieren zu müssen, dumm nur dass sie  nicht mal einen Computer richtig bedienen kann, geschweige denn in der Lage ist diesen überhaupt einzuschalten. Auf der anderen Seite Ginger, geschieden, Mutter zweier übergewichtiger Söhne, aber im Gegensatz zu Jasmine bodenständiger, denn Sie verdient sich ihren Lebensunterhalt immerhin als Supermarktkassiererin. Sie hat zwar ihr Herz am rechten Fleck, aber eine besondere Schwäche für etwas prollige Typen, die Jasmine alle für Versager hält. Es stößt Jasmine bitter auf, als Sie das erste Mal die Wohnung Gingers betritt, jetzt ist sie wohl in der Realität angekommen. Ihren Ekel kann man im Gesicht Blanchetts deutlich sehen, schnell betrinkt sie sich, um diesen Schock erstmal zu überwinden.

Der Film wechselt zeitlich immer wieder in die Vergangenheit, wo wir ihren Ex-Mann Hal und den ausschweifenden Luxus-Alltag Beider beobachten können. Hal ist ein Schwindler und hat beruflich als Investmentbanker viel Mist gebaut, aber ausschlaggebend für Jasmines Misere ist wohl eindeutig seine Untreue. Der Weg in die persönliche Hölle ist nur mit einem Telefonanruf von Jasmine geebnet, ausgelöst aus reinen Rachegelüsten. Der Abstieg macht sich bei ihr auch optisch bemerkbar, das Make-Up sitzt nicht mehr, Augenringe kommen zum Vorschein und die Schwitzflecken auf ihrer teuren Seidenbluse werden deutlich sichtbar. Sie merkt selbst aber am wenigsten von ihrem heran nahenden Niedergang und es gibt nur einen Weg für sie: nämlich geradeaus abwärts. Sie ist allerdings auch äußerst naiv, denn sie weiß nicht genau was ihr Mann geschäftlich so wirklich treibt, bürgt aber für ihn. Für sie zählt nur der Luxus und solange das Geld im Überfluss vorhanden ist, stellt sie keine Fragen. Oberflächlichkeit deluxe.
Sehr gelungen auch die Szenen zwischen Blanchett und ihren Chef in der Zahnarztpraxis Dr. Flicker (gespielt von Michael Stuhlbarg, bekannt aus dem wundervollen Coens-Film A SERIOUS MAN) der immer aufdringlicher zu ihr wird und sich vor lauter Geilheit nicht mehr unter Kontrolle hat. Die restlichen Schauspieler machen ihre Sache auch ganz prima, Alec Baldwin und Peter Sarsgaard sind optimal besetzt, genauso wie die Stand-Up Comedians Louis C.K. und Andrew Dice Clay, ebenso Bobby Cannavale, der u.a. in Kult-Fernsehhits wie SIX FEET UNDER oder BROADWALK EMPIRE zu sehen war. Aber vor allem Sally Hawkins hat mir hier in der White-Trash-Rolle sehr gut gefallen, das könnte sich letztlich auch mit einer verdienten Oscarnominierung als beste Nebendarstellerin für sie auszahlen.

Für interessante Frauenrollen ist Woody Allen immer wieder gut, das hat er in seinem bisherigen Lebenswerk nachhaltig bewiesen und regelmäßig werden diese auch preisgekrönt, wie z.B. vor paar Jahren im Falle von Penelope Cruz. Diese Figur Jasmine ist eine sehr komplexe und nur eine besondere Schauspielerin kann diese so glaubhaft spielen, wie Blanchett es hier bemerkenswert fertig gebracht hat. Dabei hatte Allen Glück, denn Blanchett war wohl Jahrelang für’s Theater verpflichtet, zwischendrin hatte sie aber etwas Luft und nahm das Angebot an.
Wunderbar, wie Allen seither immer wieder den gleichen Schriftzug in seinen Filmen verwendet, die Schauspieler schön in alphabetischer Reihenfolge gegliedert, alle sind gleichwertig, egal wie populär die Einzelnen auch sind, das gefällt mir. Er hat auch immer wieder in Interviews den großen Regisseur Ingmar Bergman als sein Vorbild auserkoren, das konnte man vor allem in dem Film INNENLEBEN aus dem Jahr 1978 mit einer der besten Schauspielerinnen aller Zeiten, nämlich Geraldine Page, genießen dürfen. In BLUE JASMINE schimmert aber auch immer Mal dezent etwas Bergman durch.

Es ist oft nachzulesen, dass sämtliche Kritiker den Film mit ENDSTATION SEHNSUCHT vergleichen, tatsächlich haben diese Werke in der Handlung einige unübersehbare Gemeinsamkeiten. Die Idee zum Film hat sich Allen aber nicht von Tennessee Williams abgeguckt, sondern von einer Frau aus seinem Bekanntenkreis, die wohl genau die gleiche Aversion wie Blanchett im Film durchlebt hat.

!SPOILER!START!

Am Ende sehen wir Cate Blanchett in der Großaufnahme. Sie sieht ziemlich mitgenommen und ungeschminkt aus, redet weiter wirr im Monolog und gar streitig vor sich hin, die Sitznachbarin auf der Parkbank entfernt sich rasch von ihr. Das schaut alles sehr schwermütig aus, die Frau ist gebrochen und ruiniert, es gibt wohl doch leider kein Happy-End mehr für Jasmine. Klingt in der Tat sehr deprimiert, ist aber genial gespielt und doch eher untypisch für ein Woody Allen Finale, das hier sehr konsequent den Leidensweg seiner Protagonistin zu einem, wie ich finde, absolut befriedigtem Abschluss findet. Das ‚Blue‘ im Filmtitel steht nicht für die wunderschöne Augenfarbe Blanchetts, sondern wohl eher für ihr andauerndes Allgemeinbefinden, denn: der Wodka steht für Jasmine  immer griffbereit. Und im Hintergrund läuft „Blue Moon“.

!SPOILER!ENDE!


Cate Blanchett sagte mal in einem Interview: „Der Film ist eine Reise, aber nicht unbedingt eine fröhliche“. Da hat sie Recht, es ist ein wohldosierter und böser Trip. Mich hat Blanchett mit dieser Performance auch stark an die großartige Gena Rowlands in EINE FRAU UNTER EINFLUSS erinnert, ein Meisterwerk von der Regie-Independent Ikone John Cassavetes , ebenfalls sehr empfehlenswert.

Ich verwette meine komplette DVD-Sammlung, dass die charismatische Blanchett für diese Rolle ihren zweiten Oscar erhalten wird. Keine andere Schauspielerin in diesem Jahr kann ihr nur an nährend das Wasser reichen. Ein Film zwischen Trostlosigkeit und Komik. Cate Sing The Blues, verbittert, wahrhaftig und wahnwitzig. Eine Meisterleistung, danke Cate.

8.5/10

Sonntag, 3. November 2013

Liberace - Zu viel des Guten ist wundervoll (2013)

Als ich vor Monaten zum allerersten Mal das Filmplakat zu LIBERACE (BEHIND THE CANDELABRA) gesehen habe, spukten mir gleich zwei Gedanken durch den Kopf: Wie befremdlich sehen bitte Michael Douglas und Matt Damon da bloß aus und überhaupt: Who The Fuck Is Liberace? Geht's da um gewöhnungsbedürftige Mode? Oder ist das eine Hommage an Siegfried und Roy? Nach anschauen des Trailers war ich dann um einiges schlauer. Liberace war also ein sehr populärer Entertainer und Pianist, der überwiegend in seiner Heimat Amerika Riesenerfolge feierte, angeblich zur damaligen Zeit noch berühmter als Elvis (O-Ton Michael Douglas). Ich bin Jahrgang '79 und wohl (entschuldigt) zu jung, um über ihn als Legende Bescheid zu wissen.

Die gänzlich zusammenfassende Handlung:

Las Vegas, 1977. Der etwas naive Waisenjunge und Tierpfleger Scott (Matt Damon) lernt durch einen Agenten die Showattraktion Walter Liberace (Michael Douglas) kennen. Der knackige Scott ist angetan von seinem Spiel und ausschweifenden Lebensstil und trotz des großen Altersunterschiedes zieht er bald in seine prunkvolle und an Kitsch nicht zu übertreffende Villa ein. Zuerst hörig lässt sich Scott sogar diverse Schönheitsoperationen (die geradewegs in eine fatale Tabletten- und Drogensucht münden) über sich ergehen lassen, um seinen Lover und 'Ersatz-Daddy' zu gefallen. Einige Zeit läuft alles gut, doch irgendwann bekommt die Zweisamkeitsharmonie Risse und der sexsüchtige Liberace schaut schon nach seinem nächsten Jüngling Ausschau. Nach fünf Jahren trennen sie sich und Scott wird nach einem Rechtsstreit mit viel Geld davongejagt. Wenige Jahre später treffen sich Beide noch einmal, auf Wunsch von Liberace, der im AIDS-Endstadium sterbend im Bett liegt. Scott, mittlerweile von seiner Drogensucht rehabilitiert willigt ein und sie versöhnen sich schließlich, bevor Liberace das Zeitliche segnet.

Die erste Szene in LIBERACE ist schon recht wegweisend für den Film. Scott lernt in einer Szene-Bar einen Typ kennen, sie begegnen sich und reden kurz miteinander. Wir vermuten zuerst, dass das in einem One-Night-Stand endet, aber da täuschen wir uns. Dieser Mann oder auch besagte 'Agent' ist im Auftrag von Liberace unterwegs, der ganz genau weiß, welcher Typ Mann seiner Aura und Charme erliegen kann und letztlich auch wird. Wegweisend deswegen, weil man hier anhand von Liberace an der Nase geführt wird oder auch kurz gesagt: hier wird in seiner sonderbaren Welt viel gevögelt und vor allem noch mehr gelogen.

LIBERACE ist kein typisches Biopic-Movie, das sehen wir schon allein daran, da der Film dort einsteigt, als Liberace bereits ein bekannter Star ist. Wir erfahren nicht viel aus seiner Vergangenheit und zugegeben ist es auch nicht sonderlich einfach, eine komplette Lebensgeschichte in nur 2 Stunden überzeugend umzusetzen (da würde sich ein Serien-Format mehr zu eignen), so haben sich die Verantwortlichen auf die Ereignisse zwischen den zwei Hauptprotagonisten beschränkt, überwiegend aus der Sicht von Matt Damons Charakter geschildert. Macht Sinn, denn der Film basiert tatsächlich auf einer Autobiographie "Behind The Candelabra: My Life with Liberace" von Scott Thorson, die er ein Jahr nach Liberaces Tod veröffentlicht hat und Richard LaGravenese (DIE BRÜCKEN AM FLUSS) hat den Stoff für diese Produktion adaptiert. Durch diese eher einsichtige Sichtweise von Thorson ist der Film aber leider nicht wirklich rundum perfekt geworden, denn angeschnittene Themen und bestimmte Personen werden viel zu kurz abgefrühstückt oder schlichtweg ignoriert, wie z.B. die angebliche Bisexualität von Scott oder auch wie er nach seiner Trennung von Liberace wieder ein anständiger und cleaner Bürger werden konnte. Von seinen Eltern erfahren wir auch nicht viel und das gleiche gilt auf für Liberaces Mutter, die nur paar wenige Momente im Film zu sehen ist, gespielt übrigens von Debbie Reynolds (SINGIN' IN THE RAIN), die ich gar nicht erkannt habe. Ebenso wie Dan Aykroyd (DRIVING MISS DAISY) als seinen Manager Seymour Heller, der sich überwiegend hinter einer opulenten Sonnenbrille versteckt.

Michael Douglas. Als Sohn einer Hollywood Legende, 2-facher Oscar-Gewinner (für seine Hauptrolle in WALL STREET), bekennender Atheist, linke Hollywoodgröße und als Schlagzeilenträchtiges Oralsex-Opfer hat er so viele interessante und wegweisende Filme in seiner langen Karriere gedreht und produziert (für EINER FLOG ÜBER'S KUCKUCKSNEST bekam er seinen ersten Goldjungen; Platz 2 meiner Lieblingsfilme Aller Zeiten), das er niemanden mehr etwas beweisen muss und es ist auch wirklich wundervoll anzuschauen, wie er sein Schauspieltalent in LIBERACE zu einem neuen Level pusht und eine überaus leidenschaftliche Vorstellung in diesem Spätwerk zum Besten gibt. Wenn er als Liberace zum ersten Mal sein Toupet absetzt, dann sieht er aus wie des Schlumpfs schlimmster Feind Gargamel und sein unförmiger Körper lässt auch allen Glitzer und Glamour nur so davon verpuffen. Aber wenn er wiederum als Rampensau im Scheinwerferlicht  mit seinem meterlangen weißen Chinchillapelz über die Bühne torkelt und dann noch mokant ins Publikum ruft: "Könnt ihr mich sehen?" hat eine Präsenz, die einen mit offenem Mund zurücklässt. Ob nun aus voller Begeisterung oder wegen des schlechten Geschmackes, sei dahingestellt.

Es gibt eine vortreffliche Szene im Film, die sich im Laufe der Handlung wiederholt und die Masche von Liberace somit sinngemäß entlarvt. Als Scott das erste Mal Liberace Backstage kennenlernt, sehen wir vorn einen Mann sitzen der isst und die Unterhaltung der Beiden mit einer leicht zickigen Miene verfolgt, dem das nicht wirklich zu gefallen scheint. Es ist Scotts Vorgänger und später sehen wir exakt die gleiche Einstellung im Film, dann allerdings mit Scott im Vordergrund, dem das gleiche Schicksal wiederfahren wird. Gehörst du zum alten Eisen und gehorchst Liberace nicht? Dann erfüllst du den Zweck nicht mehr und wirst abgeschafft. Man spricht das Offensichtliche nicht direkt aus. So wird Scott von seinem Pflegevater gefragt, ob er sich denn mit seinen 'San Francisco Freunden' trifft... wir wissen aber genau was er damit meint, das ist keine geographische, sondern eine eindeutig sexuelle Aussage. Liberace selbst hat Scott auch öffentlich nur als Chauffeur präsentiert. Tatsächlich führen die Beiden aber eine Vater, Bruder, Liebhaber, bester Freund Beziehung. Sogar von Adoption ist die Rede.

Matt Damon spielt diesen Boytoy Scott Thorson, eigentlich die tragische und komplexere Figur in diesem Film. Erstaunlich, das er sich damals auf diese schmerzhaften Gesichtsschönheits-OPs überreden lies, um seinen Gönner als sein Ebenbild noch besser zu gefallen, aber letztendlich wird auch er von Liberace nur ausgebeutet und 'entsorgt', wenn er nicht nach seiner Pfeife tanzt. Unkontrolliert lässt sich Scott immer wieder seine nötigen Pillen verschreiben um zu 'funktionieren', aber irgendwann hat er sich nicht mehr unter Kontrolle. Angesprochen auf die Sex-Szenen im Film sagte Matt Damon einem Reporter bei der Weltpremiere in Cannes: "Jetzt habe ich etwas mit Sharon Stone und Glenn Close gemeinsam!". Sympathisch. Im Gegensatz zu Damon ist der reale Scott Thorson allerdings ein ziemlich seltsamer Zeitgenosse, der bei einem Interview zudem aussagte, angeblich eine Liebesaffäre mit Michael Jackson gehabt zu haben obwohl er jetzt illusorisch hetero ist?! Hat Gott den gläubigen Scott jetzt 'umgedreht', oder wie? Sehr strange, vermutlich ist aber sein opulenter Drogenmissbrauch und die damit angerichteten Folgeschäden an solchen wirren Aussagen schuld daran, wer weiß.

Ex-BRAVO-Posterboy Rob Lowe hat einen köstlichen Auftritt mit seiner perfekt geschminkten und grotesken Horror-Visage als Liberaces Schönheitschirug und sorgt mit seiner Darstellung als Dr. Startz für einige Lacher. Dieser sagt auch unverblümt seinem berühmtesten Patient, dass er nach dem Eingriff seine Augen nicht mehr richtig schließen könne. Was wiederum für einen abstrusen Moment im Film sorgt, als sich nämlich Damon über Douglas Schnarchen beklagt und sich dann zu ihm umdreht, zum fürchten!

SEX, LÜGEN UND VIDEO (1989) hieß das gefeierte Debüt-Werk vom Independent-Regisseur Steven Soderbergh. Falls das nun tatsächlich sein letzter Film sein soll (wie er das selbst vielerorts schon überdrüssig behauptet hat), dann passt es allerdings perfekt und bildet einen gelungenen Abschluss für seine beachtenswerte Filmografie, denn Sex und Lügen gibt es zu Hauf in LIBERACE.
Interessant übrigens die Tatsache, dass in den USA dieses Werk 'nur' für den erfolgsverwöhnten und bahnbrechenden Pay-TV-Sender HBO gedreht wurde, da der Stoff den großen Hollywood-Studios als 'zu schwul' erschien. Ich wundere mich schon gehörig, da es in der Vergangenheit viele Filme mit dieser Thematik zwar zu reichlich Kontroverse, aber ebenso auch zu viel Ruhm und Erfolgen gebracht und die es allesamt zu absoluten Klassikern gebracht haben. BROKEBACK MOUNTAIN ist so ein gutes Beispiel, aber das hat schon in den 30ern angefangen mit Marlene Dietrich in MAROKKO, vielleicht sogar noch früher.

Der selbstverliebte Paradiesvogel Liberace hat alle Behauptungen bezüglich seiner Homosexualität bis zu seinem Tod stets verleugnet und sogar Presseveröffentlichungen anhand von Gerichtsbeschlüssen verboten, was eigentlich rückblickend absolut lächerlich erscheint. Wenn man sich allein seine pompösen Liveshows anschaut und wie er damals selbst auf der Bühne agiert hat, das schreit förmlich nach G-A-Y. Sogar seine eigene Biographie, die er noch zu Lebzeiten veröffentlicht hat, ist nichts als eine gedruckte Lebenslüge. Da wurden die Namen all seiner Liebhaber in Frauennamen umbenannt, dabei war er offensichtlich so ziemlich stockschwul mit einer ausgeprägten Schwäche zu besonders jungen Männern. Andererseits hätte ein Outing in der damaligen konservativen Gesellschaft wohl auch seinen kommerziellen Selbstmord bedeuten können.

Und wie ist der Film nun? Er ist ironisch und extravagant protzig, aber auch gleichzeitig erstaunlich einfühlsam. Ja, er ist aus verschiedenen Beweggründen sehenswert. Vielleicht weil es Soderberghs womöglich doch letzter Mainstream-Kinofilm ist (begründet mit seiner Unzufriedenheit der aktuellen US-Filmindustrie, will er jetzt hauptsächlich für's Fernsehen drehen). Vielleicht auch wegen seiner wirklich grandiosen Ausstattung. Auf alle Fälle wegen Douglas und Damon (das muss man gesehen haben, wie Beide eigentlich als heterosexuelle Mannsbilder küssend und kopulierend übereinander herfallen). Und die letzte Szene natürlich, die sich allein in Matt Damons Vorstellung abspielt, ist ebenfalls superb gelungen und ein fürstlicher Abschluss dieser bizarr glitzernden Welt des doch sehr eigentümlichen Liberace, den man trotz seines Talents (als einer der schnellsten Pianospieler der Welt) letztendlich nicht wirklich ernst nehmen kann.

"Too much of good Things is wonderful". Nach dem Kinobesuch klebt es förmlich überall nur so vor lauter Bonbons, Konfekt und Bling Bling, aber der oberflächlich volle Prunk und süßlich skurille Geschmack hat wirklich nicht schlecht gemundet.


7.5/10