Mehr Inhaltsangabe braucht man erstmal auch gar nicht. Die
Ausgangssituation ist spannend genug und ich denke jeder kann sich (auch
kinderlos) in eine solche Horrorlage versetzen, wenn der eigene Nachkomme ohne
ein jegliches Lebenszeichen wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint.
Mir war der Regisseur Denis Villeneuve bisher ein
unbeschriebenes Blatt, er drehte den mir unbekannten Film DIE FRAU DIE SINGT (2011),
der im selbigen Jahr für den Auslands-Oscar nominiert war. Das hier ist sein
erster, großer US-Film und es scheint, als hätte Villeneuve alle richtigen
Hebel in Gang gesetzt.
Die Geschichte ist mitreißend erzählt, zuerst etwas langsam,
nimmt diese im Verlauf der Handlung immer mehr an Fahrt auf und das bei einer
Länge von fast 2,5 Stunden. Die dargebotene Erzählung ist äußerst interessant, denn PRISONERS
spielt bewusst mit dem Zuschauer, zumindest weckt dieser beim zuschauen eine
Reihe von Emotionen aus, bei dem man sich die Frage stellt: Hätte ich das in so
einer Extremsituation genauso gemacht wie die betreffende Person im Film? So ging es mir
zumindest. Villeneuve gelingt der Coup das fantastische Drehbuch so umzusetzen,
das man durchweg mit fiebert, er baut spannende Twists ein und letztlich voller
Erwartung rätseln wir, wer nun tatsächlich hinter dem Übeltäter steckt. Ich
empfand die finale Auflösung persönlich ein klein wenig enttäuschend, aber das
muss jeder für sich selbst entscheiden. Die religiöse Kompenente ist in diesem
Film sehr breit verstreut, für meinen Geschmack etwas too much, könnte
vielleicht aber auch damit zusammenhängen, weil ich überzeugter Atheist bin,
aber ich kann es wiederum nachvollziehen, die Tragödie in einem solchen
konservativ gläubigen Umfeld spielen zu lassen, da so ein Verbrechen dort für
ein ganz besonderes Echo sorgt . Wie auch immer, die letzte Einstellung im Film
ist definitiv ein Glanzstück.
So wie die Story ist auch die Bild-Darstellung in diesem
Thriller stets düster und regenreich gehalten, nicht umsonst wurde der Film
vielerorts mit der Ästhetik eines David Finchers (SE7EN) verglichen.
Die Besetzung ist natürlich erste Sahne. Allen voran Hugh
Jackman bietet hier eine wunderbare Darstellung des Familienvaters Dover ab,
der sich nach dem Verschwinden seiner Tochter immer weniger unter Kontrolle
hat. Nachdem die Polizei den Hauptverdächtigen Alex nach 24 Stunden wieder
freigelassen hat, kann er diese Entscheidung nicht akzeptieren und versucht das
Gesetz selbst in die Hand zu nehmen. Er kidnappt Alex und versucht aus ihm ein
Geständnis rauszuholen. Auch wenn man natürlich die Beweggründe von ihm
nachvollziehen kann, aber ist es moralisch richtig, was er da tut? Welchen
Preis muss er dafür zahlen und wie kann er damit weiter leben, was er getan
hat? Das wird sich auch Loki fragen müssen, eindringlich gespielt von Jake
Gyllenhall, der ebenfalls eine klasse Vorstellung abliefert. Als einsamer
Detektiv und überzeugt den Fall schnell auflösen zu können, macht auch er an einigen
entscheidenen Stellen ebenfalls Fehler und steht kurz davor wie Keller frustriert
die Beherrschung zu verlieren. Die Charaktere sind fein ausgearbeitet, wie man
am besten an den zwei Elternpaaren sieht, da die doch im Laufe der Handlung unterschiedlich
auf die beunruhigenden Ereignisse reagieren.
PRISONERS ist einer der seltenen Glücksfälle in Hollywood,
wo vieles richtig gemacht worden ist. Ein talentierter und unverbrauchter
Regisseur, ein fesselndes Drehbuch, eine hervorragende Darstellerriege. Dazu
natürlich die kreativen Profis hinter der Kamera (der wunderbare Roger Deakins)
und Kulissen, wie z.B. Joel Cox, der verantwortliche Editor für einige Clint
Eastwood Klassiker hielt hier seine schützende Hand über das Projekt, so dass
das große Studio sich nicht in das Geschehen zwingend eingemischt hat, was dem
Film letztlich auch gut getan hat. Das Endresultat ist dann auch keine
Standard-Kost aus dem Thriller-Genre, denn dieses kreative Werk hebt sich
deutlich von seinen Konkurrenten ab und lässt wirklich niemanden kalt, das
spürt man förmlich bei einigen Schock-Szenen, die so real sind, das sich jeder in
solche Lage problemlos reinversetzten kann, da reicht auch schon eine einfache Warm-
u. Kaltwasserleitung. Wer den Film bereits gesehen hat, weiß was ich meine.
Ja, der Film schont seine Zuschauer nicht! Besonders die
Folterszenen zeugen nicht gerade von Sensibilität (mag man sie auch nicht
direkt sehen, nur akustisch mitbekommen), für viele Zartbesaitete dürfte das
schon Grausen genug sein. Mir persönlich gefällt das Endergebnis außerordentlich
gut, einer der faszinierendsten und wirkungsvollen Thriller seit langem und von
denen gibt es mittlerweile auch nicht mehr so viele. Das ist einer dieser
Filme, bei dem es lohnt sich diesen ein zweites Mal anzuschauen, denn dieser
teilt nicht das Geschehen in Schwarz oder Weiß und Gut oder Böse auf. Man wird
selbst gefordert in diesem Film und zum nachdenken gebracht und wer weiß, vielleicht haben wir
ja alle eine dunkle Seite in uns?
Es scheint, als würde das Kinojahr 2013 auf der Zielgeraden
nochmal seine besten Pferde ins Rennen schicken. Top!