Zusammenfassend erzählt der Film ungefähr 20 Jahre aus dem
Leben von Yves Saint Laurent, beginnend in den 50ern, wo er mit 21 Jahren seine
ersten Schritte bei Dior macht und dann selbst seinen Weg als genialer und
wegweisender, aber auch als recht labiler und drogensüchtiger Modeschöpfer
startet. Unterstützt wird er dabei von seiner Liebes- und Arbeitsbeziehung
Pierre Bergé (überzeugend dargestellt von Guillaume Gallienne), der aus seiner
Perspektive und aus dem Off die Geschichte erzählt, dem aber schon fast ein
wenig zu viel Aufmerksamkeit in diesem Biopic zuteil wird, wie ich finde. Der
Film konzentriert sich hauptsächlich eher auf das Privatleben von Yves Saint
Laurent, seine berufliche Existenz wird natürlich auch beleuchtet, aber das
eher im überschaubaren Ausmaß. Saint-Laurent war ein schüchterner Zeitgenosse,
aufgewachsen in Algerien einer reichen Großindustriellen-Famile entsprungen gewann
er mit 17 Jahren einen Wettbewerb im Modezeichnen, später zieht er nach Paris
wo er nach dem frühen Tod von Christian Dior zum künstlerischen Direktor
aufsteigt. Als er den Wehrdienst verweigert und geradewegs in der Geschlossenen
Psychiatrie landet, fliegt Laurent bei Dior raus und gründet mit seinem Partner
das Label YSL und entpuppt sich nun fortan als der Liebling der Pariser High
Society und der ekstatischen Presse, das er Jahrzehnte lang dominieren wird. Berühmt
gemacht hat YSL vor allem der ‚Le Smoking‘, als erster steckte er in den 60ern
Frauen in einen Hosenanzug.
Das Werk bietet visuell eine wunderbare opulent
ausgestattete Zeitreise (der britische Guardian titelte den Film als ein
„unglaublich teures Werbevideo“, etwas frech, aber gut), angefangen bei der
Epoche der gehemmten 50er, dann die wilden 60er und schließlich die überaus
lässigen 70ern, das Jahrzehnt (mein Lieblingsjahrzehnt!), das allerdings etwas
zu brav dargestellt wird. Zentrum des Films ist die Romanze zwischen den beiden
Männern. Die erste Liebeszene ist unverkrampft und herzig gelungen, wie Beide
sich innig auf offener Straße küssen und umarmen, Raum und Zeit um sich herum
vergessen, schon bald aber wird Saint-Laurent von seinen Dämonen in Schach
gehalten. Was folgt sind reichlich Drogen, vor allem ausschweifende Kokainexzesse
und sexuelle Eskapaden, denn hier wird viel gevögelt, egal ob (überwiegend)
mit Männlein, Weiblein oder gleich Gruppensex in einem verruchten Kellerclub,
wo Saint-Laurent in einem Käfig von einem Unbekannten rangenommen wird. Klingt
vulgär? Keine Sorge, der Film zeigt nicht alles, deutet nur einiges an, etwas
zu sehr geschönt das Ganze. Betrogen wir indes hier aber viel, sowohl von Bergé
als auch von Saint-Laurent Seite.
Karl Lagerfeld (gespielt von Nikolai Kinski), der als
Randfigur immer wieder mal auftaucht, ist zuerst Saint-Laurents guter Freund,
dann sein erbitterter Konkurrent. Der Freund von Lagerfeld pflegt wiederum eine
hemmungslose Affäre zu Saint-Laurent. Supermodel Victoire (Charlotte Le Bon) ist
nicht nur wunderhübsch, sie spielt hier die Muse von Saint-Laurent, die als
heterosexueller Störfaktor vorzüglich im Beziehungsgeflecht gute Spannung
abliefert. Dann sieht man irgendwann Andy Warhol durch’s Bild huschen, DIE Pop-Art-Ikone
seiner Zeit. YSL scheint seiner Zeit weit voraus gewesen zu sein, sein Partner
Pierre Bergé bildet hier schließlich die sichere Stütze und kümmert sich um das
Geschäftliche, während der Couturier im Rampenlicht steht. Am Ende erscheint
die Figur Yves Saint Laurent leider dann doch irgendwie etwas zu eindimensional,
nämlich als ein neurotisches, selbstzerstörerisches, manisch-depressives und
dem Drogen verfallenes und schwaches Genie und die Erkenntnisse und seine Passion
über Mode dann eher Zweitrangig, das Ganze ist gut gemeint von Regisseur Lespert, denn man
sieht zwar viel Schönheit, aber irgendwie fühlt man beim Zuschauen recht wenig. Interessant erscheint aber die Tatsache, dass der
hagere und mit der dicken Brille versehene Saint-Laurent und seine Liebe Bergé sehr
unterschiedliche Charaktere waren, die sich jedoch so viele Jahre verbunden
geblieben sind. Das Leben an der Seite einer schöpferischen Persönlichkeit ist
für den jeweiligen Partner kein Zuckerschlecken, aber das ist nun wirklich
nichts Neues und ein alter Hut.
Der Film und die Kleider sind vollauf schwelgerisch geschmackvoll
anzusehen, aber auch etwas zu sehr oberflächlich, keusch und mainstreamig geraten.
Es ist bereits noch ein weiterer Film
über den Modezar Yves Saint-Laurent für den kommenden Herbst angekündigt
(Regie: Bertrand Bonello) und ich vermute mal stark, dass dieser mit mehr Ecken
und Kanten versehen, mutiger, echter und kritischer ausfallen wird als dieser
Beitrag. Interessante Frage nebenbei, die immer mal im Film erwähnt wird: Ist
Mode eigentlich Kunst? Nun ja, für diesen YVES SAINT LAURENT vergebe ich
erstmal wirklich schicke und stilvoll gutgemeinte:
07/10