Sonntag, 27. April 2014

Yves Saint Laurent (2014)

Film-Biographien sind naturgemäß so eine Sache, denn das komplette Leben eines genialen Künstlers in nur knapp 2 Stunden so lückenlos und zufriedenstellend zu erzählen, dass das Ergebnis ausnahmslos jedem gefällt,  ist wahrlich keine leichte Sache und eigentlich schon von vornherein zum Scheitern verurteilt. Es sei denn man dreht eine Mini-Serie und hat mehrere Stunden zum Entfalten des Protagonisten, das würde wahrscheinlich besser funktionieren. Der Film YVES SAINT LAURENT (YSL)  von Regisseur Jalil Lespert über den gleichnamigen und revolutionären französischen Mode-Designer bietet auch leider nicht alles, was man sich vielleicht als Zuschauer wünscht, ist aber unterm Strich durchaus sehenswertes Kino, das vor allem an dem sehr guten Hauptdarsteller Pierre Niney liegt, der dem Original tatsächlich sehr ähnlich sieht.

 
 
Zusammenfassend erzählt der Film ungefähr 20 Jahre aus dem Leben von Yves Saint Laurent, beginnend in den 50ern, wo er mit 21 Jahren seine ersten Schritte bei Dior macht und dann selbst seinen Weg als genialer und wegweisender, aber auch als recht labiler und drogensüchtiger Modeschöpfer startet. Unterstützt wird er dabei von seiner Liebes- und Arbeitsbeziehung Pierre Bergé (überzeugend dargestellt von Guillaume Gallienne), der aus seiner Perspektive und aus dem Off die Geschichte erzählt, dem aber schon fast ein wenig zu viel Aufmerksamkeit in diesem Biopic zuteil wird, wie ich finde. Der Film konzentriert sich hauptsächlich eher auf das Privatleben von Yves Saint Laurent, seine berufliche Existenz wird natürlich auch beleuchtet, aber das eher im überschaubaren Ausmaß. Saint-Laurent war ein schüchterner Zeitgenosse, aufgewachsen in Algerien einer reichen Großindustriellen-Famile entsprungen gewann er mit 17 Jahren einen Wettbewerb im Modezeichnen, später zieht er nach Paris wo er nach dem frühen Tod von Christian Dior zum künstlerischen Direktor aufsteigt. Als er den Wehrdienst verweigert und geradewegs in der Geschlossenen Psychiatrie landet, fliegt Laurent bei Dior raus und gründet mit seinem Partner das Label YSL und entpuppt sich nun fortan als der Liebling der Pariser High Society und der ekstatischen Presse, das er Jahrzehnte lang dominieren wird. Berühmt gemacht hat YSL vor allem der ‚Le Smoking‘, als erster steckte er in den 60ern Frauen in einen Hosenanzug.
Das Werk bietet visuell eine wunderbare opulent ausgestattete Zeitreise (der britische Guardian titelte den Film als ein „unglaublich teures Werbevideo“, etwas frech, aber gut), angefangen bei der Epoche der gehemmten 50er, dann die wilden 60er und schließlich die überaus lässigen 70ern, das Jahrzehnt (mein Lieblingsjahrzehnt!), das allerdings etwas zu brav dargestellt wird. Zentrum des Films ist die Romanze zwischen den beiden Männern. Die erste Liebeszene ist unverkrampft und herzig gelungen, wie Beide sich innig auf offener Straße küssen und umarmen, Raum und Zeit um sich herum vergessen, schon bald aber wird Saint-Laurent von seinen Dämonen in Schach gehalten. Was folgt sind reichlich Drogen, vor allem ausschweifende Kokainexzesse und sexuelle Eskapaden, denn hier wird viel gevögelt, egal ob (überwiegend) mit Männlein, Weiblein oder gleich Gruppensex in einem verruchten Kellerclub, wo Saint-Laurent in einem Käfig von einem Unbekannten rangenommen wird. Klingt vulgär? Keine Sorge, der Film zeigt nicht alles, deutet nur einiges an, etwas zu sehr geschönt das Ganze. Betrogen wir indes hier aber viel, sowohl von Bergé als auch von Saint-Laurent Seite.

Karl Lagerfeld (gespielt von Nikolai Kinski), der als Randfigur immer wieder mal auftaucht, ist zuerst Saint-Laurents guter Freund, dann sein erbitterter Konkurrent. Der Freund von Lagerfeld pflegt wiederum eine hemmungslose Affäre zu Saint-Laurent. Supermodel Victoire (Charlotte Le Bon) ist nicht nur wunderhübsch, sie spielt hier die Muse von Saint-Laurent, die als heterosexueller Störfaktor vorzüglich im Beziehungsgeflecht gute Spannung abliefert. Dann sieht man irgendwann Andy Warhol durch’s Bild huschen, DIE Pop-Art-Ikone seiner Zeit. YSL scheint seiner Zeit weit voraus gewesen zu sein, sein Partner Pierre Bergé bildet hier schließlich die sichere Stütze und kümmert sich um das Geschäftliche, während der Couturier im Rampenlicht steht. Am Ende erscheint die Figur Yves Saint Laurent leider dann doch irgendwie etwas zu eindimensional, nämlich als ein neurotisches, selbstzerstörerisches, manisch-depressives und dem Drogen verfallenes und schwaches Genie und die Erkenntnisse und seine Passion über Mode dann eher Zweitrangig, das Ganze ist gut gemeint von Regisseur Lespert, denn man sieht zwar viel Schönheit, aber irgendwie fühlt man beim Zuschauen recht wenig.  Interessant erscheint aber die Tatsache, dass der hagere und mit der dicken Brille versehene Saint-Laurent und seine Liebe Bergé sehr unterschiedliche Charaktere waren, die sich jedoch so viele Jahre verbunden geblieben sind. Das Leben an der Seite einer schöpferischen Persönlichkeit ist für den jeweiligen Partner kein Zuckerschlecken, aber das ist nun wirklich nichts Neues und ein alter Hut.
Der Film und die Kleider sind vollauf schwelgerisch geschmackvoll anzusehen, aber auch etwas zu sehr oberflächlich, keusch und mainstreamig geraten. Es ist  bereits noch ein weiterer Film über den Modezar Yves Saint-Laurent für den kommenden Herbst angekündigt (Regie: Bertrand Bonello) und ich vermute mal stark, dass dieser mit mehr Ecken und Kanten versehen, mutiger, echter und kritischer ausfallen wird als dieser Beitrag. Interessante Frage nebenbei, die immer mal im Film erwähnt wird: Ist Mode eigentlich Kunst? Nun ja, für diesen YVES SAINT LAURENT vergebe ich erstmal wirklich schicke und stilvoll gutgemeinte:

07/10