Philomena, was für ein wunderschöner Name. Die Lebensgeschichte von der Titelheldin, die sich auch so unglaublich zugetragen hat, ist allerdings alles andere als angenehm und himmlisch verlaufen. Für den Film adaptiert vom Co-Hauptdarsteller Steve Coogan mitsamt Jeff Pope, in Szene gesetzt von dem britischen Regisseur Stephen Frears und dargestellt von der sensationellen Judi Dench in einer Oscarnominierten Hauptrolle.
Der Film beginnt mit einer Szene auf dem Jahrmarkt, wo Philomena Lee (in jung dargestellt von Sophie Kennedy Clark) Gefallen an einem Unbekannten und gutaussehenden Typ findet und mit ihm ihren allerersten Sex erlebt. Die damals im erzkatholischen Irland nicht aufgeklärte Philomena wird schwanger und für ihre ‚Sünde‘ von Ihrem Vater in ein Kloster gesteckt, wo Sie mit eiserner Hand den herrschsüchtigen Nonnen und unter qualvollen Schmerzen eine Steißgeburt ihren Sohn Anthony zur Welt bringt. Sie wird gezwungen in der Wäscherei zu arbeiten und muss verzweifelt mit ansehen, wie ihr noch junger Sohn im Alter von drei Jahren an eine fremde und wohlhabende Familie ‚adoptiert‘ wird. 50 Jahre später, an Anthonys Geburtstag, gesteht Philomena (Judi Dench) ihrer Tochter, das sie neben ihr noch ein weiteres Kind hat. Die Tochter lernt kurz darauf zufällig auf einer Party den gerade arbeitslosen Journalisten Martin Sixsmith (Steve Coogan) kennen und konfrontiert ihn mit dieser Geschichte. Zuerst eher ablehnend willigt dieser dann doch schließlich ein und begleitet Philomena auf dieser Reise und der ungewissen Suche nach ihrem verlorenen Anthony.
Eine Komödie? So steht es auf dem Filmplakat, aber für mich ist PHILOMENA eher dem Drama-Genre zuzuordnen, wenn dieser auch zwischendurch mit wohltuenden heiteren und trockenem Witz dargestellten Momenten ausgestattet ist. OK, einigen wir uns auf Tragikomödie, das mit Abstand schwierigste Genre überhaupt, daran scheitern die meisten. Es gibt aber auch viele positive Erwähnungen, die absoluten Kultstatus besitzen, wie etwa DAS APPARTMENT, AMERICAN BEAUTY, DER STADTNEUROTIKER, ETERNAL SUNSHINE OF A SPOTLESS MIND, ABOUT SCHMIDT oder DIE REIFEPRÜFUNG, die ich allesamt sehenswert und überaus großartig finde.
Das Drehbuch und die Dialoge sind in PHILOMENA geschliffen
gut ausgearbeitet. Der Soundtrack von Alexandre Desplat (THE KING’S SPEECH,
ARGO, DER SELTSAME FALL DES BENJAMIN BUTTON, DAS MÄDCHEN MIT DEM PERLENOHRRING,
ZERO DARK THIRTY u.v.m.) klingt verträumt, passt aber perfekt zum Film. Ebenso
sind die zwei Hauptdarsteller hervorragend besetzt, auch wenn sich diese alles
andere als ähnlich sind. Martin ist ein Zyniker, etwas arrogant und ein Atheist,
wohingegen Philomena die Gläubige, recht naive aber stets freundliche Person
darstellt. Das aber harmoniert sehr gut auf der Leinwand und sorgt für einige
Lacher, als z.B. Philomena Sixsmith auf dem Flughafen keine Zusammenfassung,
eher die Nacherzählung eines unsäglichen Kitschromans schwärmerisch aufsagt,
ohne etwas, ihrer Meinung nach, wichtiges auszulassen. Über eine besondere
Tatsche darf man aber dennoch schmunzeln: PHILOMENA (von Rom) ist eigentlich
der Name einer Heiligen, die als Beschützerin der Kleinkinder und Schwangeren,
Gefangenen und Gefolterten gilt… und jetzt sieht man 'Sie' als das schwache Opfer
in diesem Film, zumindest als Namensgeberin, die auch tatsächlich existiert. Das
schreit geradezu nach Treppenwitz.
Früher wurde wohl im Namen 'Gottes' rasch geurteilt:
Philomenas unehelicher Sohn ist eine Schande und ein Bastard, diese 'Sünde'
muss 'bestraft' werden. Solche Verbrechen, die damals an den Frauen begangen
worden sind, schocken mittlerweile kaum noch jemanden, es waren aber damals sehr
harte und schwierige Zeiten für die hilflosen Betroffenen. Die Nonne Hildegard,
die damals Philomena das Leid und die Entfremdung ihres Sohnes zu verantworten
hat, wird hier als ziemlich böses und die der Reue unfähiges Biest dargestellt.
Das bleibt allerdings auch der einzige, kritische Zeigefinger auf das System
Kirche, sonst bleibt der Film eher neutral und konzentriert sich mehr auf das
Hauptdarsteller-Gespann, dabei hat er einige ganz gute Ansatzpunkte, wie das
vermeintlich heilige System, das mit Lügen, Habgier und sadistischer Kälte
regiert. Offenbar wollte es Frears doch jedem Recht machen und bloß nicht zu
viel Kritik aufzeigen. Die Story ist trotz diesem Kritikpunkt aber recht
präzise erzählt und ohne zu verurteilen, was ich aber persönlich bisschen
schade finde. Weniger Rührstück und mehr Biss und Mut zum Angriff hätte dem
Film den letzten guten Schliff gegeben. Es bleibt unentschieden, was man ganz
gut in einer Szene mit Sixsmiths Empörung über die Geschehnisse und Philomenas
Vergebung und Akzeptanz relativ am Ende erleben darf. Nach und nach wird das
Leben von Anthony in Rückblenden beleuchtet, der es beruflich sehr weit
gebracht hat, auch wenn sein Leben, seinem damaligen Amt und seiner sexuellen
Ausrichtung einen erkennbar eindeutigen Wiederspruch ergaben. Ich persönlich bin schon lange überzeugt ungläubig und sehr
wohl Gott-los glücklich und das nicht erst seit den offiziellen
Missbrauchsskandeln, wovor die meisten der Beteiligten und Mitverantwortlichen
ihre Augen verschließen, was ich ungeheuerlich finde. Jeder Missbrauch, egal ob
seelisch, körperlich oder im allerschlimmsten Fall sexuell, ist schon eins zu
viel und das in einem Institut dass das Gute, Geborgenheit und Schutz predigt!
Ohne mich. Comedian und Synchronsprecher Steve Coogan genießt in seiner Heimat Großbritannien schon lange Kultstatus, er hatte in der Vergangenheit bereits einige adrette Auftritte zeigen dürfen wie z.B. in NACHTS IM MUSEUM oder MARIE ANTOINETTE. Regisseur Stephen Frears, selbst ungläubig, nimmt seine Figuren in PHILOMENA sehr ernst und belohnt diese mit Respekt durch diese sehr authentische Geschichte. Er hat einen guten Riecher für spannende Rollen, vor allem für weibliche. So hatte neben Dench auch die andere britische Kino-Grande Dame Helen Mirren ihm ein grandioses Comeback mit THE QUEEN zu verdanken. Frears hat ebenfalls u.a. Klassiker wie THE GRIFTERS, HIGH FIDELITY, MEIN WUNDERBARER WASCHSALON und auch einen meiner absoluten Lieblingsfilme, das mit Glenn Close, John Malkovich und Michelle Pfeiffer kongenial besetzte Kostüm-Filmdrama GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN insziniert. Ich liebe diesen Film, vor allem seinen bösartigen Humor und Glenn Close zweifellos.
Judi Dench. Was soll man eigentlich noch alles zu dieser
wunderbaren und charismatischen Schauspielerin schreiben, was nicht schon
bereits gesagt ist? Sie zählt gewiss zu den Besten ihrer Zunft und ich verneige
mich mit einer persönlichen Top-5 Lieblings-Liste:
1.
Tagebuch eines Skandals
2.
Mrs. Brown
3.
Philomena
4.
Iris
5.
Chocolat
08/10