Mittwoch, 8. Mai 2013

Mama (2013)

Mütter in Horrorfilmen, das verheißt meistens nichts Gutes. Das haben wir schon in PSYCHO gelernt, einem unerreichten Klassiker, in dem ein gestörtes Muttersöhnchen gern Fummelkleider trägt und noch lieber auf Muttis Befehl mordet. Oder in FREITAG DER 13., wo sogar die Mutter selbst ziemlich bescheuerte und sexhungrige Teenager hintereinander ins Jenseits befördert, bevor ihr Sohn (ja, der berühmte mit der Eishockeymaske) ab dem zweiten Teil das metzeln fortsetzt. Und von MUTTERTAG aus dem Jahr 1980 ganz zu Schweigen, der Film ist nach wie vor in Deutschland indiziert und wird es wohl auch bleiben. In dem aktuellen kanadischen Gruselfilm MAMA von Andres Muschietti (ursprünglich zuerst als dreiminütiger Kurzfilm konzipiert) haben wir es mit einer besonderen Sorte von Mutter zu tun, schon allein wegen Ihrer beklemmenden Erscheinung, aber nicht nur aus diesem Grund.

Der Film beginnt mit den Worten "Es war einmal...", die Eröffnungszene ist aber kein Märchen, sondern reines Familiendrama, in dem ein aus finanziellen Gründen verzweifelter Vater zuerst seine Frau erschießt und dann, nach einem Autounfall auf spiegelglatter Straße, mit seinen beiden Töchtern in eine abgelegene Waldhütte flüchtet, um sein und auch das Leben der beiden Kinder zu beenden. Als er versucht unter Tränen zuerst seine Tochter Victoria zu erschießen, taucht plötzlich eine Gestalt aus dem Hintergrund auf, die ihm das Genick bricht (einschließlich Entsorgung der Leiche ins verschneite nach Draußen)...die Mädchen bleiben verwirrt zurück. Dann macht der Film einen Zeitsprung um 5 Jahre und wir lernen seinen Bruder Lucas (Nikolaj Coster-Waldau) mitsamt Freundin Annabel (Jessica Chastain) kennen. Onkel Lucas hat in der Zwischenzeit nie aufgegeben, nach den verschollenen Mädchen zu suchen. Durch einen Suchtrupp werden diese dann schließlich in der besagten Waldhütte gefunden, die wirklich sowas von erschreckend furchteinflößend und ausgehungert aussehen, dass das schon für einen schaurigen Gänsehautmoment sorgt. Durch Dr. Dreyfuss (Daniel Kash) bekommt das Paar die Chance die Beiden in Ihre Obhut zu nehmen mitsamt neuem Zuhause, nicht allerdings ohne Hintergedanken des Psychiaters, der eine Studie über die Geschwister erstellen möchte. Und der Horror beginnt...denn Mama ist ganz schön eifersüchtig!

Ich habe bereits schon wirklich sehr viele Horrorfilme in meinem Leben gesehen, deshalb bin ich auch mit keiner zu hohen Erwartung ins Kino gegangen, obwohl der ausführende Produzent Guillermo Del Toro (PANS LABYRINTH) heißt und obwohl die derzeit (zu Recht!) schwer gehypte Jessica Chastain (ZERO DARK THIRTY) mitspielt. Sie ist in dem Film dann auch gleich absolut gegen Ihren Typ besetzt worden, nämlich als tätowierte und recht robuste Bassistin einer Punk-Rock-Band mitsamt Joan Jett ('I Love Rock'N'Roll!')-Gedächtnisfrisur. Sie wertet den Film auch deutlich auf, ihr Filmpartner Coster-Waldau ist dagegen nicht so lange wie Sie zu sehen, was aber gar nicht so verkehrt ist (ich habe ihn auch nicht sonderlich arg vermisst), da es ja in erster Linie um die 'Mutter'-Figur geht. Trotzdem hat der Film mich nicht komplett begeistern können, er ist aber auch alles andere als missglückt.

Ganz besonders fiel mir auf, das der Film sich hier und da bei anderen Klassikern bedient hat. Am stärksten bei der Szene, als Jessica Chastain mit dem Wäschekorb den Flur entlang geht und parallel im gleichen Blickfeld das Kinderzimmer mit der spielenden Lilly zu sehen ist...das scheint mir verdächtig geklaut (nämlich aus einer berühmten Szene aus Hitchcocks MARNIE). Das möchte ich hier aber nicht negativ werten, denn die 'Kopie' ist durchaus gut gelungen, wenn man dann realisiert, wem die kleine Lilly da den Ball zuwirft.
Überhaupt sind die zwei Mädchen Victoria (Megan Carpentier) und Lilly (Isabelle Nelisse) die heimlichen Stars in diesem Film, sie spielen beängstigend gut. Allein durch Ihre Blicke können diese einen regelrecht 'zusammenfahren', wie sie durch Ihr Auffinden wie schmutzige Tiere auf allen Vieren durch das Bild huschen und alles anfauchen, was Ihnen in die Quere kommt...die möchte ich Nachts nicht unbedingt begegnen wollen. Dass Beide einen Knacks in der Psyche durch diese unfreiwillige Isolation davongetragen haben, mag niemanden verwundern.
Auch war für das geschulte Auge einiges Vorhersehbar, wie z.B. das Ableben einiger Personen, zumindest habe ich jedes mal richtig gelegen, wenn ich mir dachte "Du bist der Nächste".

Was soll ich nun zu der Figur 'Mama' sagen? Ich will hier nicht verraten, wer sich hinter dieser verbirgt, man tappt auch zuerst etwas im Dunkeln. Das Geheimnis wird aber recht flugs aufgedeckt, da muss man nicht bis zum Finale warten, um zu wissen, wer sich hinter unserer 'Titelheldin' verbirgt. Aber ehrlich gesagt haben mich die zwei Mädchen mehr gegruselt als Sie, auch wenn die Hintergründe dieser als tragisch zu werten sind. Aber wenn Mama dann zum ersten Mal in voller Pracht zu sehen ist, sieht Sie für meinen Geschmack eher bizarr denn gruselig aus, auch wenn die Special Effekte zugegeben  recht ordentlich gelungen sind. Das man bei Ihr trotzdem mal zusammenzuckt, wenn diese auf der Leinwand auftaucht, hat dann aber wohl eher mit der gekonnt eingesetzten Musik und Geräuschkulisse zu tun (ein alter und gern verwendeter Trick bei Horrorfilmen), was hier durchaus prima funktioniert.
Übrigens das Interessanteste überhaupt ist, das die Figur Mama im Film von einem Mann dargestellt worden ist. Es ist der knapp zwei Meter große spanische Schauspieler Javier Botet, er hat bereits schon im Schocker REC. seine physische Präsenz eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der Mann leidet unter dem sogenannten Marfan-Syndrom, das zu außergewöhnlichen Wachstum mit besonders langen Gliedmaßen führt und mit den üblichen CGI-Effekten, die mittlerweile unumgänglich zu sein scheinen, verleiht das dem Ganzen auch eine besondere Note im Endresultat.

Interessant fand ich die Entwicklung der Annabel, die zuerst eher ablehnend und aufgezwungen der Kinder gegenüber steht, dann später zum Finale hin für diese erbarmungslos kämpft. Interessant deswegen, weil ich zuerst nicht ganz nachvollziehen konnte, warum sie so emotional reagiert, wird sie doch Anfangs im Film so dargestellt (auf der Toilette sitzend mit einem Schwangerschaftstest in der Hand), als ob sie absolut keinen Kinderwunsch hegt. Das ändert sich im Laufe der Handlung und deswegen verleiht ihr das auch eine Art emotionale Tiefe, die in solchen Filmen nicht immer zwingend vorhanden sind, das macht es dann wieder zu etwas Besonderem, finde ich. Die allermeisten Charaktere in Horrorfilmen sind austauschbare, langweilige und meistens idiotisch verhaltende Stereotypen, das wissen wir. Annabel ist nicht so und Jessica Chastain hat es wunderbar hingekriegt diese nicht lächerlich aussehen zu lassen, danke dafür.

Der Showdown am Ende hat mir dann aber leider nicht so sonderlich geschmeckt, den fand ich etwas zu effekthascherisch und, sagen wir mal, auch eine Spur zu kitschig, man mag es kaum glauben. Ich möchte das hier nicht zu sehr ausführen, ich habe so meine Theorie warum das Ende gerade so dargestellt worden ist, nur würde ich hier zu viel verraten und das wäre unfair gegenüber denen, die sich den Film noch anschauen möchten. Ob dieser Kompromiss bzw. Konflikt am Ende befriedigend ausfällt, muss jeder für sich entscheiden. Logik hat in Horrorfilmen auch nicht immer die Oberhand, so ist das nun mal.

Mir hat die erste Hälfte des Films aber persönlich viel besser gefallen. Der Horror ist oftmals am Stärksten, wenn er überwiegend im Verborgenen bleibt. Die besten Beispiele sind hierfür ROSEMARYS BABY, JAWS und auch der erste Teil von ALIEN, die allesamt zu meinen Lieblingsfilmen gehören.

Positiv aufzuwerten ist die Tatsache, das es sich hier um ein Debüt-Werk handelt. Regisseur Andres Muschietti versteht es, einem bei der Stange zu halten, die Spooky-Momente kommen wie auf Abruf, so das so gut wie nie wirkliche Langeweile aufkommt. Das Spiel mit Schatten, Dunkelheit und dem gelungenen Soundtrack tragen eine schaurig gute Atmosphäre bei, das hat Muschietti effektiv und überzeugend umgesetzt. Ach ja und den Kleiderschrank nicht zu vergessen!

Es ist zugegeben nicht einfach etwas 'Neues' in das Horrorgenre einfließen zu lassen, das sieht man wieder mal am aktuellen Trend alte Grusel-Klassiker ein 'Zeitgerechtes'-Remake zu verpassen, wie sich die verantwortlichen Produzenten so schön ausdrücken. Meistens sind diese aber gähnend langweilige 1:1 Kopien mit nur mehr Blut, Splatter und unverbrauchten Jungdarstellern, von denen man danach auch meistens nie wieder was hört. Gibt genug miese Beispiele hierfür. Ich weiss nicht, ob ich mir die Neustarts EVIL DEAD und CARRIE anschauen werde, dafür liebe ich die Originale viel zu sehr. Aber ehrlich, wann haben wir das letzte Mal etwas Neues, Originelles oder eine Art 'Aufbruch im Horror-Kino' gesehen? BLAIR WITCH PROJECT? Vielleicht. PARANORMAL ACTIVITY? Bestimmt nicht.

Unterm Strich ist MAMA ein souveränes und sehenswertes Schauder-Stück, das über weite Strecken spannend insziniert ist und seinen Reiz vor allem durch die talentierten Kinderdarsteller, der Entwicklung der Hauptprotagonistin und der beklemmenden Atmosphäre entwickelt. Also Daumen eher hoch. Außerdem fand ich die deutsche Synchronisation sehr gut, das kann man auch nicht immer freilich behaupten, oder?

07/10