Sonntag, 16. Februar 2014

The Wolf Of Wall Street (2014)

Geld, Koks und Nutten. Klingt nach Bushido? Ja, aber wenn man das neue Werk von Altmeister Martin Scorsese in drei knappen Wörtern beschreiben will, dann würde man wohl auch am ehesten auf den beschränkten Wortschatz des Skandalrappers zurückgreifen, denn davon gibt es in dieser fast 3-stündigen Orgie mehr als genug zu sehen. Denn alles muss im Überfluss vorhanden sein! Wer hier ein astreines Drama über die bösen Spekulanten an der Börse von Scorsese erwartet hat, wird gnadenlos enttäuscht, denn der Film ist von Anfang an auf Komödie und Provokation programmiert und das macht er auch verdammt gut und für meinen Geschmack auch sehr sehenswert.

Die Geschichte dreht sich über den Auf- und Abstieg des New Yorkers Jordan Belfort (Leonardo DiCaprio) Ende der 80er, ein Aktienhändler und Betrüger der skrupellos ahnungslose Anleger am anderen Ende der Telefonleitung verarscht und satte Gewinne verspricht, letztlich aber nur egoistisch handelt um seine Geldbörse fett zu füllen um in Saus und Braus zu leben. Wertpapiere am laufenden Band vertickern oder besser gesagt: Scheiße als Geld verkaufen und sich gut gehen lassen. Diesen Belfort gibt es wirklich, der Film basiert auch auf seinen Memoiren. Belfort hat seine Strafe (wenn auch nur lächerlich kurz) abgesessen und ist jetzt eine Art Motivationstrainer, für was auch immer. Für die Großleinwand ist seine Geschichte übrigens von Terrence Winter adaptiert, der war schon als Drehbuchautor für bahnbrechende Serien wie THE SOPRANOS oder BROADWALK EMPIRE zuständig.

Der Film schert sich einen Dreck um Moral und Anstand. Es geht um das schnelle Geld, die ‚Blödheit‘ der Anleger, die sich über den Tisch ziehen lassen und reichlich viel Hedonismus. Die Entscheidung, den Stoff so aufleben zu lassen ist gut gewählt, denn 1. Das Alles hat sich wohl tatsächlich mehr oder weniger damals so abgespielt und 2. Der Film langweilt trotz Überlänge nicht. Außerdem bezieht sich die Geschichte noch lang vor der Finanzkrise im Jahr 2007. Wer was Ernstes über diese Thematik sehen will, der kann sich das prominent besetzte Drama DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL von 2011 oder die sehenswerte und Oscar prämierte Dokumentation INSIDE JOB  aus dem Jahr 2010 anschauen.
In THE WOLF OF WALL STREET sehen wir teils sehr komische und seltsame Sachen auf der Leinwand, wie z.B. ein sinnloses werfen in der Mittagspause von Kleinwüchsigen auf eine Zielscheibe, es wird oft obszön geflucht, viele Hetero- und eine Homo Orgie, immer wieder Titten natürlich, versuchte Bestechungen an FBI-Agenten, es wird Kokain in alle möglichen Körperöffnungen geblasen. Geilheit und Exzesse ohne Ende und selbstverständlich viele Dollar-Scheine, das es einem schwindelig wird, denn: „Kohle ist die geilste Droge überhaupt!“. Drogenkonsum von einer verbotenen Pille namens „Ludes“, die es heute gar nicht mehr gibt, die DiCaprio und Jonah Hill in einer urkomischen und gelungenen Szene kriechend und lähmend auf dem Boden ihrem Schicksal überlässt, das schaut sehr bizarr und ulkig aus.

Matthew McConaughey, der letztes Jahr ein sehr gutes Händchen für interessante und prestigeträchtige Rollen bewiesen hat, sagt hier in einem Kurzauftritt auch unverblümt: „Kokain und Nutten sind der wesentlichste Schlüssel zum Erfolg und nur so könnte man diesen gottverdammten Job erledigen!“. Jawohl, täglich Koks konsumieren und wenn gerade keine Nutte zu Verfügung steht, einfach mehrmals am Tag masturbieren, so heißt die Wunderformel. Jonah Hill, der hier für seine Rolle als bester Nebendarsteller für den Oscar nominiert ist, macht seinen Job als DiCaprios Geschäftspartner Donnie auch sehr gut und durchweg unterhaltsam. In Nebenrollen sind ebenfalls Jean Dujardin (THE ARTIST) als Schweizer Bankier und Kyle Chandler als unbestechlicher FBI-Agent zu sehen. Neu und unbekannt für mich ist dagegen die sehr attraktive Frau an DiCaprio Seite Naomi, gespielt von der australischen Jung-Schauspielerin Margot Robbie. Die sollten wir uns vormerken, ich schätze von ihr kommt noch mehr zukünftig.

Ich möchte hier noch eine Lanze für Leonardo DiCaprio brechen. Von vielen immer noch belächelt als ewiger TITANIC-Milchbubi mit Babyface und Teenie-Idol, hat er wie kaum ein anderer die letzten Jahre einen dermaßen guten Riecher und Lauf für beachtliche Rollen hingelegt und ich möchte mich auch soweit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass er aktuell zu den besten Charakterdarstellern in Hollywood gehört. Sicherlich hat Scorsese auch damit was zu tun, die Beiden haben schon fünf abendfüllende Spielfilme miteinander gedreht. Aber auch INCEPTION, ZEITEN DES AUFRUHRS oder DJANGO UNCHAINED sind großartig mit ihm in der Hauptrolle. Wer weiß, vielleicht reicht’s ja diesmal für den Oscar als Kotzbrocken Jordan Belfort, wir werden sehen.
Aber zurück zum Wesentlichen. Man hat ständig das Gefühl, das Scorsese seine Figuren nicht wirklich ernst nimmt und sie gnadenlos ihren Trieben, der Bösartigkeit und der ständigen Gier nach more! more! more! einfach agieren lässt um sie letztlich ihrer eigenen Absurdität zu entlarven und das mit voller Absicht. Sieht aus wie Slapstick und ich sehe Scorsese hinter der Kamera mit einem Grinsen im Gesicht. Ehrlich, so ein zynisches und versautes Werk von ihm auf seine alten Tage habe ich nicht unbedingt erwartet, um so überraschter war ich dann nach Verlassen des Kinos.

Martin Scorsese, dieses Genie, das uns so zeitlose Meisterwerke wie TAXI DRIVER, WIE EIN WILDER STIER oder GOODFELLAS beschert hat, hat’s immer noch drauf. Und er hat in DiCaprio seinen neuen Robert De Niro gefunden.
Wenig oder kaum Drama, dafür bunter, ordinärer und kompromissloser rabenschwarzer Humor ohne Scham bis zum Abwinken. Ein frecher und bewusst überdrehter Film, der wirkt, wie auf Speed. Ich habe mich jedenfalls bestens amüsiert.

 09/10

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